“Eine Zierde der Stadt Homberg” – Das ehemalige Lehrerseminar, heute Gymnasium
Die Bundepräsident Theodor-Heuss-Schule (THS) , das Gymnasium in Homberg, befindet sich in der Ziegenhainer Straße in einem Gebäude, das ursprünglich als Königlich-Preußisches Lehrerseminar gebaut wurde. Thomas Schattner, Lehrer an der Schule hat jetzt ein Buch mit dem gesammelten Quellenmaterial zu der Geschichte des Lehrerseminars veröffentlicht. Schattner hat als Historiker in der Vergangenheit schon zahlreiche Bücher über die Regionalgeschichte Hombergs und der umliegenden Gemeinden veröffentlicht.
In der Dokumentation befindet sich der Klappentext des Buches. Außerdem ein kleiner Zeitungsauszug über die Vorgeschichte, denn das Lehrerseminar war bereits seit 1835 in Homberg angesiedelt.
:: DOKUMENTATION ::
Lehrerseminar kam nach Homberg
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Nach Genehmigung des Projektes durch das Preußische Kultusministerium, ein Königlich-Preußísches Lehrerseminar in Homberg/Efze zu errichten, wurde dasselbe durch die Baumeister Reum und Spillner sowie den Königlichen Kreisbaumeister Jahn realisiert.
Im Herbst des Jahres 1878 wurde dann der „Prachtbau“, so die „Hessische Schulzeitung“ von 1879 vollendet. Weiter war dort von einem „Muster der Baukunst, einer Zierde der Stadt Homberg“, ja sogar von einem „der schönsten Gebäude des preußischen Staates“ die Rede. Für andere Zeitgenossen galt das Gebäude als der modernste Bau seiner Art in Preußen.
Kurzum: So ein Gebäude hatte Homberg noch nicht gesehen. Nicht nur die Größe unterschied das Gebäude von den umliegenden Gebäuden, sondern auch der Baustil.
Da sich in Homberg sehr viele Dokumente erhalten haben, welche die Architektur und das Design des Gebäudes überliefern und somit den Charakter des Gesamtkunstwerks der Bildungsanstalt verdeutlichen, hat sich der Autor entschlossen, diese zu veröffentlichen. Sie stellen einzigartige Bestände dar, die auch mit Renovierungs- und Restaurierungsergebnissen abgerundet werden, zumal auch anhand der Grundrisse erkennbar ist, dass schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts erste Veränderungen im Hauptgebäude vorgenommen wurden. Denn von vergleichbaren Gebäuden ist derartiges der Öffentlichkeit nicht überliefert. Zwar gibt es zahlreiche Publikationen zu Seminaren allgemein, aber z.B. nur eine einzige Einzelpublikation über das Seminar in Usingen im Taunus und die stammt aus dem Jahr 1923. So gesehen schließt diese Veröffentlichung in Teilen eine Forschungslücke.
Erbaut wurde das Seminar in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Stil des Historismus. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Veränderungen und Umwälzungen der Industrialisierung entstand bei den Architekten eine Unsicherheit, wie man nun zeitgenössisch bauen könnte. So existierten mehrere Stile nebeneinander und keiner dominierte. Es wurde parallel gebaut. Im Historismus herrschte Stileklektizismus, d.h., man griff in der Kunst und in der Architektur auf verschiedene historische Stile zurück, die man so zu neuem Leben erweckte. So finden bzw. fanden sich am Homberger Seminargebäude Stilelemente der Neoromanik und der Neogotik sowie ehemals der Neorenaissance.
Viele damalige Zeitgenossen glaubten noch, die Gotik sei ein deutscher Stil. In Wahrheit wurde er in Frankreich, in St. Denis, zum ersten Mal baulich umgesetzt. Nichtsdestotrotz wurde die Neogotik nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon 1813 bis 1815 zu einem nationalen deutschen Stil ausgerufen. Der Neogotik liegt auch der Gedanke eines neumittelalterlichen Gesamtkunstwerkes zu Grunde, da man ein verklärtes Bild des Mittelalters hatte, und die vielen architektonischen Details zu einem Symbol umdeutete, dass jeder Teil des Volkes so am Großen und Ganzen seinen Anteil hatte. Beispiele für die Neogotik finden sich heute noch in der Türform des alten Hauptportals und in den spitz zulaufenden Fenstern der Aula.
Aber auch Elemente der Neoromanik befinden sich im Gebäude. Die massiven Säulen des Foyers bzw. Vestibüls und des zentralen Treppenhauses zitieren diesen Stil ebenso, wenn auch die Kapitelle zu ihrem Abschluss wesentlich minimalistischer sind. Interessant dabei ist des Weiteren, dass sowohl die Säulen als auch die Kapitelle sich ornamental im Treppenaufgang wiederfinden.
Bis Mitte bzw. Ende der 1960er Jahre gab es am Gebäude auch ein Element der Neorenaissance. So zierte ein Giebel der Neorenaissance das alte Hauptportal. Dieser Giebel zeichnete sich durch seine Abstufung nach oben hin aus. Leider wurde dieser abgeschlagen, um dem Gebäude ein vermeintlich „moderneres“ Aussehen zu geben.
Auch das Baumaterial war außergewöhnlich. Den ersten Eindruck, den das Gebäude von der Fassade her ausstrahlt, erinnert stark an die norddeutsche Backsteingotik. Übertrieben könnten sich die Homberger am Ende 19. Jahrhunderts an die norddeutsche Küste versetzt gefühlt haben.
Nichtsdestotrotz ist die Gesamtarchitektur unglaublich funktional (diesen architektonischen Aspekt hatte der mutmaßliche Architekt Gustav Knoblauch aus Berlin, der ein Fachmann für Seminarbauten war, von seinem Vater Eduard Knoblauch übernommen, der ein Schüler von Karl Friedrich Schinkel, dem großem deutschen Baumeister des 19. Jahrhunderts, war). Die funktionale Qualität galt bzw. gilt vor allem für den abgerissenen Wirtschaftsflügel und den Mittelbau.
Die Zu- und Einordnung des Architekten ist und bleibt aber schwierig, weil ein weiterer wichtiger Punkt hinzukommt. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Vorschriften zum Bau der Lehrerseminare in Preußen vereinheitlicht, dennoch gibt es doch größere Unterschiede unter den Lehrerseminaren. Hinzu kommt, dass das Homberger Seminargebäude als Gesamtkunstwerk von Knoblauch konzipiert wurde. Alles, sowohl die Architektur als auch die komplette Inneneinrichtung (sämtliche Stühle, Sitzbänke, Tische, Schränke bis hin zu Notenständern etc.), die Einfriedungen und Grundstücksmauern usw. wurden eigens für die Homberger Gebäude geplant und angefertigt. Und das galt auch für die zusätzlichen Gebäude. Schließlich gehörten die Turnhalle (die im Jahr 1907 und in den 1950er Jahren geringfügig erweitert wurde) und das Ökonomiegebäude selbstverständlich ebenso zur Bauaufgabe des Seminargebäudes wie das Abtrittsgebäude (Latrinengebäude). Denn ein Lehrerseminar war ein autonomes System vom Lehren, Lernen und Leben. Deshalb gehörten z.B. auch der Speisesaal, die Küche, die Waschküche und vieles mehr zur Bauaufgabe eines Lehrerseminars.
Abgerundet werden die Aspekte von Architektur und Design durch das „Lebensgefühl“ am Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Aus diesem Grund werden z.B. Kreisblattartikel über den Bau des Seminar und seine Vorbereitungen der Jahre 1873 bis 1879 und des Jahres 1885 (in dem das Seminar sein 50tes Bestehen in Homberg feiern konnte), die Hausordnung von 1882 sowie Auszüge der Festschrift zum 50ten Bestehen des Homberger Lehrerseminars von 1885 reproduziert. Den Schlusspunkt setzen eine Abschlusszeitung der Seminaristen der Jahre 1919 bis 1922 und die erste Abschlusszeitung von Abiturienten der August-Vilmar-Schule aus dem Jahr 1929.
Das Buch ist bei Amazon erschienen und kostet in der 438 Seiten starken Ausgabe 10,85 €.
Vorgängergebäude des Lehrerseminars in der Freiheiter Straße sei 1835
"Lehrerseminar kam nach Homberg
Seit dem Jahre 1832 bemühte sich der damalige Bürgermeister Becker lebhaft darum, einen Ausgleich für das nach Fulda verlegte Wallensteinsche Stift zu erhalten. Diese Bemühungen blieben nicht ohne Erfolg: Die Regierung beschloß, das Kasseler Lehrerseminar nach Homberg zu verlegen. Nun musste die Stadt schnellstens Maßnahmen treffen, die notwendigen Gebäude für die Lehrerbildungsstätte zu schaffen. Sie erwarb daher sofort die Gebäude und Gärten des Wallensteinschen Stiftes. Von den beiden Stiftsgärten reichte der eine vom Stiftsgebäude bis an die Stadtmauer heran und umfaßte auch den sogennten Hockesgarten, der bis an die Mauer der Freiheit beim Pulverturm reichte. Im Stiftsgebäude wurde es nun lebhaft. Die Handwerker richteten zwei Lehrerwohnungen her. Gleichzeitig entstand in der Nachbarschaft ein neues Gebäude, das das Ökonomiegebäude des Seminars werden sollte. Neben einen Speisesaal sollten es außer der Wohnung des Ökonomen noch drei weitere Lehrerwohnungen aufnehmen. Dieses Haus ist uns heute unter der Bezeichnung "Altes Landratsamt" bekannt. 1833 übernahm der Staat diesen Komplex und begann den Bau eines Lehrerseminars und eines Ökonomiegebäudes. Das Stiftsgebäude erfuhr mehrfache Umbauten. Es sollte Lehrerwohnungen aufnehmen. 1835 war es dann soweit, dass das Lehrerseminar von Kassel nach Homberg übersiedelte und dort neue eigene Räume fand."
Aus dem Zeitungsbericht "Wo die Schärpen des Aufstands gestickt wurden…Aus der Geschichte der über 600jährigen Geschichte der Freiheit. Autor, Zeitungsname und Zeitpunkt der Veröffentlichung unbekannt.