HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Riskante Planungs-Praxis

BildDie wichtigste Gestaltungsmöglichkeit jeder Kommune ist das Haushalts- und das Planungsrecht.
Bei den Finanzen gibt es wenig Spielraum, da viele Ausgaben festliegen.
Was, wann, und wie in der Kommune im vorgegebenen Rahmen der Regionalplanung gebaut werden darf, bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten – wenn sie genutzt werden.

Bebauungsplan
Bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes sind viele technische Aspekte zu berücksichtigen, das erledigen in den meisten Fällen Planungsbüros. Wenn der Planentwurf offen ausgelegt wird, können Fachbehörden, Verbände und Bürger ihre "Anregungen und Bedenken" vortragen. Über diese Stellungnahmen müssen die Stadtverordneten entscheiden.

# Sie müssen abwägen, welches Gewicht sie welchen Argumenten geben.
# Sie müssen entscheiden, welcher Einwand berücksichtigt wird, und welcher zurückgestellt wird.
# Sie müssen offen legen, nach welchen Gesichtspunkten sie das Eine bevorzugen und das Andere zurückstellen, denn die Abwägungen sollen gerecht erfolgen.

 

Das Abwägungsgebot

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen." §1 BauGB

Das ist der wichtigste Teil im Planungsprozess. Die Stadtverordneten entscheiden damit, wer hat Nachteile hinzunehmen, wer wird mit den Vorteilen begünstigt. Diese Entscheidungen sind der politische Kern des Planungsprozesses.
So sieht das auch die Rechtsprechung, die entscheiden muss, wenn jemand gegen die Planung klagt. Vor Gericht wird dann geprüft wie die Stadtverordneten die Gewichte verteilt haben, und ob sie sachgerecht abgewogen haben – oder auch nicht abgewogen habe. Das Gericht bezieht sich auf die Texte, die zu den Stellungnahmen abgegeben wurden.

Zum Abwägungsgebot heißt es gut verständlich es auf dem jura forum:

Grundsätzlich wird die Pflicht seitens der öffentlichen Verwaltung zur Gegenüberstellung widersprüchlicher Interessen bei einer drohenden Rechtskollision bezeichnet. Diese müssen ordnungsgemäß und objektiv gewichtet werden, so dass eine Lösung gefunden werden kann, die mit dem Grundrecht vereinbar ist und keine der beiden kollidierenden Parteien ungerechtfertigt benachteiligt. Dabei ist darauf zu achten, dass folgende Fehler vermieden werden müssen:

Lückenhafte Aufstellung der Belange
Belange zwar ermittelt, aber nicht bewertet
Belange falsch bewertet
Abwägung fand gar nicht statt

Überwiegend findet die Abwägung bei der Erstellung von Bauleitplänen Anwendung: Bei dem Abwägungsgebot handelt es sich um das zentrale Gebot, welches für Bauleitpläne bei rechtsstaatlicher und sozialgestaltender Planung zu beachten ist.

Abwägungen sind nicht erkennbar – Gefahr für die Stadt

Bei den Abwägungen zu den Bebauungsplänen findet keine wirkliche Abwägung statt. Es sind oftmals nur lapidare Sätze, oder dem Einwand wird nur eine Behauptung entgegen gestellt. Sollte ein Bürger klagen, hätte er gute Chancen, wenn die Abwägung nicht die Kriterien erfüllt, die in der Rechtsprechung herausgearbeitet sind.

Auf diese Gefahr hatte ich in der letzten Stadtverordnetenversammlung hingewiesen. Die Stadt geht ein Risiko ein, wenn sie keine rechtssichere Abwägungen vornimmt.

Darauf antworte der Fraktionsvorsitzende Gerlach (SPD), die Fraktionen würden in ihren Sitzungen abwägen.
Was in den Fraktionen besprochen wurde, ist unbekannt. Vor Gericht zählt nur das, was im Abwägungsbeschluss der Stadtverordnetenversammlung geschrieben wurde.

Bürgermeister Dr. Ritz stellte fest, "es gab unglaublich wenige Eingaben … mehr Abwägungen, als im vorliegenden Fall getroffen wurden, gehen fast nicht".
Die Menge wird durch die eingereichten Belange bestimmt. Zu jedem vorgebrachen Belang muss es eine Abwägung geben, die gerecht abwägt. Das ist nicht erfolgt, wie sich an den Beispielen weiter unten zeigt.

Die beiden Aussagen dokumentieren, dass weder der Bürgermeister noch der Fraktionsvorsitzende die rechtlichen Maßstäbe berücksichtigen. Entsprechend ihren Funktionen sollten sie keine falschen Informationen verbreiten.

 

Beispiele aus der "Abwägung" zum Bebauungsplan des Einkaufszentrums, die den Anforderungen nicht entsprechen:

Beispiel 1:
Zu einer Stellungnahme eines Nachbarn, die über einen Anwalt eingebracht wurde heißt es nur:

"Die Stellungnahme wird zur Kenntnis genommen, den Anregungen wird nicht gefolgt."

 

Es ist bei den Abwägungen nicht ersichtlich, warum verschiedenen Anregungen nicht gefolgt wird. Das Abwägungsgebot wird nur dann erfüllt, wenn die Belange begründet und nachvollziehbar gegenüber gestellt und abgewogen werden.

Beispiel 2:

"Der Erhalt des Baumbestandes wurde geprüft. Eine Realisierung eines Einkaufszentrums in der angedachten Größenordnung von ca. 7.500 m² kundenwirksamer Nutzfläche ist nur umsetzbar, wenn die Bäume keine Berücksichtigung finden.
In der Abwägung zwischen den Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes und der mit dem Einkaufszentrum verfolgten Zielsetzungen wurden die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes – unter Berücksichtigung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen – zurückgestellt."

Auch hier findet keine Abwägung statt. Das Gemeinwohlinteresse am Erhalt der Bäume wird nicht aufgegriffen. Das private Interesse an 7.500 m² Verkaufsfläche wird als absolut gesetzt, an dem nicht gerüttelt wird. Es könnte sehr wohl die Verkaufsfläche verkleinert werden, um die Bäume und damit eine Grünanlage zu erhalten.

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10 Kommentare zu “Riskante Planungs-Praxis”

  1. AnwaltsLiebling

    "Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. § 1 BauG" Und wie sieht es mit den nachträglichen Planungsänderungen zu Gunsten des Bauherrn Schneider aus? Wurden die privaten Belange der Anwohnerschaft berücksichtigt? DMS:  Oder beziehen Sie sich hierauf in Ihrem Beispiel 1?  

  2. DMS

    zu 1:
    Auch bei der dritten Änderung des Bebauungsplans für Schneider waren keine Abwägungen vorgenommen worden, die den rechtlichen Anforderungen entsprechen. Solange niemand klagt, geht das so durch. Da das Kostenrisiko einer Normenkontrollklage wohl kaum von einem einzelnen Anlieger getragen werden kann, unterbleibt die Klage und die Stadt kann so weiter machen wie bisher. Das würde sich nur ändern, wenn ein großer, potenter Kläger eine Klage einreicht.

    Allerdings würde auch dann lange nichts geschehen, die Stadt würde sich durch die lange Untätigkeit des Gerichts bestärkt fühlen.

    So wird bestehendes Recht schleichend ausgehöhlt.

  3. Scherzbold

    Fazit:

    Ohne Moos nix los….

    Es soll Homberger geben, die das stemmen könnten. Ich gehöre nicht dazu. 🙂

     

  4. Gerhard Schönemann

    Was nutzt das Ganze denn, wenn der Bau schon steht? Wird ein Baustopp ausgesprochen wenn man da aktiv wird? Wussten die Anwohner von ihren Möglichkeiten und sind im Vorfeld auch informiert worden?

    Das " Allerdings würde auch dann lange nichts geschehen, die Stadt würde sich durch die lange Untätigkeit des Gerichts bestärkt fühlen. So wird bestehendes Recht schleichend ausgehöhlt."

    Kann man auf der Frontpage des Blogs deutlich sehen:
    Bürgerbegehren nach 4 Jahren noch kein Termin, geschweige denn eine Entscheidung.

    Rechtsstaat wo bist du?

    Wenn ich mir dann die Vorgehensweise des Landgerichtes im Falle Wagner anschaue, kommen mir erst recht Zweifel.

  5. Fazit

    zu 3:

    Fazit zu Fazit:

    Recht ist käuflich- Gerechtigkeit ist nicht käuflich

  6. Mister X

    @ Gerhard Schönemann

    Die oftmals lange Verfahrensdauer stört auch mich erheblich.

    Gestern Abend sah ich zu später Stunde in der ARD einen Bericht über die Belastungen der Richterschaft, der für mich erhellend war.

    Die Anzahl der Verfahren, die ein Richter zu bewältigen hat, ist schon erdrückend.  

    Zu Wort kommende Politiker sahen dies naturgemäß anders. Sie wollten den schlanken Staat und bauten Stellen bei der Polizei und Justiz ab.

    Die schrecklichen Ereignisse der vergangenen Woche scheinen ein Umdenken einzuläuten.

    Wenn es mal wieder nicht nur ein Strohfeuer ist (…)

    Im Zusammenhang mit den Attentaten soll nun schneller abgeschoben werden.

    Ich glaube nicht, dass dies ohne Aufstockung der Richterstellen möglich sein wird.

    "Wir schaffen das", versprach uns die Bundeskanzlerin. Ich zog diese Botschaft schon damals in Zweifel.

    P.S.: Zu den von Ihnen angesprochenen Verfahren, die ihren Ursprung in Homberg hatten, bin ich trotz meines Verständnisses für die Richterschaft, auch nicht einverstanden.

    Ggf. spielten Faktoren eine Rolle, über die man nur mutmaßen kann (…)

  7. Scherzbold

    @ Fazit

    Da könnte etwas dran sein, würde jedoch unserem Grundgesetz widersprechen..

    Artikel 3

    (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

  8. Termin Ator

    Scherzbold

    Fazit hat das schon richtig gesehen.

    Recht ist käuflich weil der, der wenig hat, selten uneingeschränkten Zugang hat um sein Recht wahrnehmen oder durchsetzen zu können.

    Wie es hier deutlich wird. Eingeschränkt wird es auch durch bürokratishce Hürden wieKosten der Rechtsvertretung, Gerichtsgebühren und auch bei den Strafen bzw. Absprachen die man treffen kann. Gegen Zahlung von 3000 € wurde das Verfahren eingestellt – so fern man 3000 € hat.

    Das Grundgesetz verpflichtet auch den Eigentüner einer Sache – jedoch stehen dann auch die Kommunen manchmal vor der Tür und können auf dem Grundstück nichts unternehmen.

  9. AnwaltsLiebling

    Das Recht hat seine Tücken (…)

    Auf Homberger Entscheidungen angewandt, ergeben sich für mich Fragen, warum der Bürgermeister (Jurist ! ) seine Zustimmung gegeben hat bzw. berechtigte Forderungen nicht gerichtlich durchsetzen lässt.

    Wettlaufer-Gelände : Netto-Markt im Einvernehmen oder auf Druck ( ? ) mit der Schoofs-Gruppe verhindert. War diese Planungsänderung "sauber"?

    Ulrich-Areal:  Ehemaliges Tankstellen-Gelände als Geschenk angenommen. Was steckt hinter diesem Geschenk der Schoofs-Gruppe?

    Schirnen: Warum wird in dieser unendlichen Geschichte (Wasserschaden) keine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt?

    Ankauf eines Teils des Kasernengeländes durch den ehemaligen Stadtverordneten, Herrn Althaus. Wie ist der Stand zur Rückabwicklung, die Herr Dr. Ritz forderte?

  10. Termin Ator

    Hier noch mal die Wiki dazu

    ( Auszüge )

    Gerichtliche Überprüfung, Normenkontrolle

    Ein Bebauungsplan kann im Rahmen einer Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO) gegen eine Baugenehmigung gerichtlich überprüft werden (sog. Inzidentkontrolle).[4] Dabei kann dessen teilweise oder vollständige Nichtigkeit festgestellt werden. Gründe für diese indirekte Anfechtung eines B-Planes liegen in der Regel in Festsetzungen, mit denen ein Betroffener nicht einverstanden ist. Möglich ist auch, dass die Frist für die Antragsstellung auf eine Normenkontrolle abgelaufen ist. Diese Frist beträgt ein Jahr und beginnt bei Bekanntmachung des Bebauungsplanes.

    Daher kommt eine Überprüfung auf Abwägungsfehler in Betracht. Durch das BVerwG (z. B. BVerwGE 34, 301 (309)) anerkannte Fehler sind dabei:

    Der Abwägungsausfall: Eine sachgerechte Abwägung hinsichtlich öffentlicher und privater Belange fehlt überhaupt.
    Das Abwägungsdefizit: Es wurden gerade nicht alle erheblichen Belange in die Abwägung eingestellt.
    Die Abwägungsfehleinschätzung: Die Bedeutung eines einzelnen Belanges wurde verkannt.
    Die Abwägungsdisproportionalität: Einzelne Belange wurden untereinander falsch gewichtet.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Bebauungsplan_(Deutschland)#Verfahrensabschluss

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