Die Inszenierung – Anwälte nennen es vorbildlich
Zu Donnerstag, 23. August 2012, 17:00 Uhr waren die Vertreter der Inititiative für das Bürgerbegehren und die Fraktionsvorsitzendn zu der Magistratssitzung eingeladen worden. Aus Wiesbaden war Direktor Stephan Gieseler vom Hessischen Städtetag und aus Kassel der Rechtsanwalt Jörg Blum als Haupakteure eingeladen.
Rechtsanwalt Blum verspätetet sich, die Vorstellung begann deshalb erst um 17:16 Uhr.
Ergebnis der Stimmauszählung
Hauptamtsleiter Joachim Bottenhorn verkündete das Ergebnis: Es seien ungefähr 2100 Unterschriften eingereicht worden, davon seien 1900 gültig gewesen. In dem Vermerk des im Urlaub befindlichen Ordnungsamtleiters Helmut Wagner steht es seine 1986 gültige Unterschriften gezählt worden von 2107 eingereichten. Die Darstellung von Bottenhorn zeigt wie lax man mit den Zahlen umgeht.
Die "Gutachter"
Die beiden Juristen referierten nacheinander ihre Schriftsätze. Sie begannen jeweil mit der Feststellung ihres Endergebnisses: Das Bürgerbegehren müsse wegen formaler Mängel als ungültig abgewiesen werden. In den langen Ausführungen sind es zwei "Mängel":
1. Bei den Vertrauenspersonen seien die Stellvertreter nicht zweifelsfrei zuzuordnen, das "begründet ebenfalls die Fehlerhaftigkeit und damit die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens." (Blum)
2. Der Kostendeckungsvorschlag sei fehlerhaft. Würde das Kasernengelände nicht gekauft, entständen Mindereinnahmen. Diese Einnahmeverlust wären für die Stadt Kosten. Diese seien nicht aufgeführt, so die Argumentation in Kürze.
Das Bürgerbegehren sei aus diesen Gründen unzulässig, es gibt keinen Ermessensspielraum. Magistrat und Stadtverordnetenversammlung müssen deshalb das Bürgerbegehren ablehnen. Erst danach hat die Initiative für das Bürgerbegehren den Rechtsweg zu beschreiten.
Sollte die Stadtverordnetenversammlung das Bürgerbegehren anerkennen, dann müsse der Bürgermeister wegen Gesetzesverstoß´dagegen einschreiten.
Fraktionsvorsitzender Gerlach (SPD)
Er vergewissert sich noch einmal, selbst wenn wir zustimmen dürften wir das also nicht. Danach macht er sich Sorgen, wie man in der Öffentlichkeit argumentieren solle, man würde doch den Unwillen der Bürger auf sich ziehen. Dafür hat der Städtetags-Direktor einen Rat: Sie sind nur dem Gewissen und dem Gemeinwohl verantwortlich, Homberg hat doch mehr als 2000 Wahlberechtigte. Die Partei müsse Selbstbewusstsein zeigen. "Sie sind die Meinung der Bevölkerung." gibt er zu bedenken. Nicht in der Stadtverordnetenversammlung politisch diskutieren, nur auf die formalen Mängel verweisen.
Bevor Gerlach zur Fraktionsitzung aufbricht vergewissert er sich noch einmal. Er wird der Fraktion raten nach dem Urteil der Rechsanwälte zu entscheiden, keine politische Diskussion um nicht in die öffentliche Kritik zu geraten.
Fraktionsvorsitzender Kroeschell (CDU)
Bürger informieren sich oberflächlich, sie reagieren emotional. Die Presse versucht Demokratie lächerlich zu machen. Wir halten das aus. Es wird interessant herauszufinden, welche Informationen die Bürger noch brauchen. Wir können in aller Gelassenheit…
Und die anderen…
Stadtrat Heinz Engelhard (FDP) sah nur, wie Gerlach versuchte sich zu entschuldigen und herauszuziehen, statt zu seinem Beschluss zu stehen. Ihm würde es stinken. Gerlach fiel der erregten Rede mehrfach ins Wort. Stadtrat Karl Weiß (FWG) gab zu bedenken, dass sich Homberg wieder lächerlich mache. "Wir müssen es als Politiker auslöffeln." Es sei eine politische Lachnummer, die Wahlbeteiligung werde weiter sinken. Auch der Versuch des Fraktionsvorsitzendne Achim Jäger (FWG) noch einmal in aller Ruhe sachlich mit Zahlen untermauert zu diskutieren, fruchtete nicht.
Nach Abschluss des Punktes rief Bürgermeister Wagner den Punkt "Einräumung des rechtlichenGehörs für die Initiatoren des Bürgerbegehrens" auf.
Ich antworte für die Initiative: "Wir haben die beiden Rechtsmeinungen gehört, wir werden sie prüfen und darüber beraten. Danach werden wir über die nächsten Rechtsschritte entscheiden."
Die Anwälte lobten das Vorgehen des Bürgermeisters als vorbildlich, die Ergebnisse in einer Sitzung vorzutragen und zu erörtern. In anderen Städten würde das nur schriftlich mitgeteilt.
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Der Umgang des Bürgermeisters und derjenigen, die ihn in seinem Amt stützen, zeigt einmal mehr die Abgehobenheit und Arroganz von Amts- und Mandatsträgern, die längst jeglichen Bezug zu den Bürgerinnen und Bürgern verloren haben.Das Bürgerbegehren ist ein Hindernis bei einem Geschäft, bei dem es um sehr viel Geld geht, bei dem es um Versprechungen geht, bei dem es um Machterhalt geht. Deshalb muss mit allen Mitteln versucht werden, den Bürgerentscheid zu verhindern. Wenn das mit politischen Argumenten nicht geht, müssen halt formale Fehler behauptet werden. Dies ist immer der erste Schritt, um unliebsame Anliegen abzuschmettern. Ob die Argumente der Gutachter des Bürgermeisters zutreffen, ist eine ganz andere Frage. Entscheiden können das am Ende nur unabhängige Richter.
Entscheidend ist aber nicht nur die formale Frage, entscheidend ist der politische Umgang mit dem Willen der Bürgerinnen und Bürger. 2000 Menschen haben sich nicht anonym in Foren oder mit unleserlicher Unterschrift, sondern offen und überprüfbar für einen Bürgerentscheid ausgesprochen. Das ist weit mehr als das Gesetz fordert und es ist zum ersten Mal in Homberg, dass eine so starke Bürgerbewegung ihren politischen Willen dokumentiert. Wer glaubt, dies allein formal abwiegeln zu können, hat nichts verstanden.
Schon die Kommunalwahl hat gezeigt, dass die Homberger Veränderungen wollen. CDU und FDP haben ihre Mehrheit verloren, es wäre eine Mehrheit für eine andere Politik da. Unglaublich, dass die SPD – die vor der Wahl darüber nachgedacht hat, Bürgermeister Martin Wagner über ein Abwahlverfahren abzusetzen – nun zur letzten Machtstütze eines Politkers geworden ist, der inzwischen auch das Vertrauen vieler ehemaliger Unterstützer und Parteimitglieder verloren hat.
Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, dass die Bürgerinnen und Bürger, die sich für den Bürgerentscheid engagieren, darüber nachdenken, wie sich diese Bürgerbewegung langfristig in die Homberger Politik einmischen kann und ob aus einer solch starken Bewegung heraus nicht auch ein/e parteiunabhängige/r Kandidat/in für die nächste Bürgermeisterwahl gefunden werden kann. Es ist zum Glück nicht mehr so lange hin bis 2014. Eine weitere Amtszeit Wagners wäre unerträglich und die SPD zeigt gerade sehr deutlich, dass sie keine Alternative bietet.
Klaus Bölling