Der Bürgermeister muss widersprechen, wenn Beschlüsse Recht verletzen
Am 23. April 2015 genehmigte die Stadtverordnetenversammlung den "Grundstückskaufvertrag zwischen der Stadt Homberg und der Kraftstrom Bezugsgenossenschaft über die Liegenschaft "Freiheiter Straße 26""
Die Stadtverordneten können im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung alles beschließen. Sie sind Laien und können nicht überblicken, ob dabei Recht verletzt wird oder ob ein Beschluss der Stadt Schaden zufügt.
Aus diesem Grund gibt die Hessische Gemeindeordnung (HGO) dem Bürgermeister – der ein Wahlbeamter ist und auf die Einhaltung der Gesetze vereidigt wurde – das Recht, gegen Beschlüsse der Stadtverordneten Widerspruch einzulegen. Im § 63 HGO heißt es:
1) Verletzt ein Beschluss der Gemeindevertretung das Recht, so hat ihm der Bürgermeister zu widersprechen. Der Bürgermeister kann widersprechen, wenn der Beschluss das Wohl der Gemeinde gefährdet. Der Widerspruch muss unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach der Beschlussfassung gegenüber dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung ausgesprochen werden.
Aus diesem Recht des Bürgermeisters erwächst ihm die Pflicht, die Beschlüsse zu prüfen. Widerspricht er nicht, ist er persönlich für die Folgen eines fehlerhaften Beschlusses verantwortlich.
Wertgutachten der Stadt
Alle Stadtverordneten hatten ein Wertgutachten für das Gebäude einen Ertragswert von 100.000 Euro erhalten "(bei Vernachlässigung Denkmalschutz)".
Zusätzlich wies das Gutachten einen Bodenwert von 66.600 Euro aus. Daraus errechnete der Gutachter eine Verkehrswert für den Stichtag 8. Januar 2015 von 100.000 Euro. Selbst dieser Betrag des "Schätzgutachtens" wurde bei der Genehmigung des Kaufvertages zu 1 Euro nicht erörtert.
Widerspruchsrecht – Widerspruchspflicht
Der Bürgermeister hat bis zum 7. Mai 2015 die Möglichkeit, dem Beschluss zu widersprechen. Tut er es nicht, hat der Magistrat das Recht zum Widerspruch. Die Details sind im § 63 HGO geregelt.
Ersparnis für den Käufer – Belastung für die Bürger
Schon einen Tag nach der Genehmigung des Kaufvertrages feierten Käufer und Bauherr Richtfest.
Der Architekt freute sich über den zügigen Baufortschritt.
Bei diesem Bau ersparte sich der Bauherr viele Arbeiten und Kosten.
Den Grundstückskauf für 66.600 Euro.
Die Erschließung des Grundstücks mit Leitungen für Abwasser, Frischwasser und Gas in unbekannter Höhe der Kosten.
Erdarbeiten für die Planierung, Fundamente sowie das Untergeschoss mit der Gasheizung.
Bau von zwei Vollgeschossen mit dem Tragwerk, den Äußenwänden, den Geschossdecken und der Treppe.
Wenn man nur die Rohbaukosten (400 Euro/m² Geschossfläche) für diese Bauteile ansetzt, ergibt sich für den Bauherrn eine Kostenersparniss von 426.600 Euro, die er bei einem Neubau hätte zahlen müssen. Selbst wenn man nur die Rohbaukosten der beiden Vollgeschosse und des Grundstücks rechnet, kommt man auf Kostenersparniss von rund 300.000 Euro. Die Stadt subventioniert durch die kostenlose Überlassung des Gebäudes die Kraftstrom Bezugsgenossenschaft. Von existenzbedrohenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten dieses Unternehmens ist nichts bekannt. Es gibt somit keinen vernünftigen Grund, dieses Unternehmen durch die Stadt zu höheren Gewinn zu verhelfen. Die hochverschuldete Stadt unter dem Rettungsschirm hätte das Geld dringend gebraucht. Die Grundsteuer hätte dann nicht in dem Maße erhöht werden müssen. Mit der Grundsteuererhöhung finanzieren die Homberger Bürger Gewinne der Genossenschaft.
Rechtfertigung der Stadt
Indem die Stadt die Immobilie für 1-Euro verkauft hat, wird ersichtlich, wie hoch der Verlust für die Stadt ist.
Das einzige Argument der Stadt: Es sei im öffentlichen Interesse, dass die Arbeitsagentur an dieser Stelle Büroräume erhält. Die 36 Arbeitsplätze der Arbeitsagentur würden zu Belebung der Innenstadt beitragen.
Selbst wenn man dieser Argumentation folgte, ergibt sich daraus nicht die Notwendigkeit, die Immobilie quasi zu verschenken. Unter bestimmten engen Bedingungen darf öffentliches Vermögen auch unter Wert verkauft werden. Diese Regelung meint damit, dass nicht der volle Verkehrswert erzielt werden muss. Die Regelung heißt nicht, dass verschenkt werden kann – das wäre sicherlich eine extreme Auslegung.
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Ich glaube die KBG hätte bei einem Neubau weniger Kosten gehabt. Es ist doch allgemein bekannt, das Sanierungen und Umbauten meist teurer sind als Neubauten – zumindest wenn man kernsaniert.
Und zu der Ersparnis von den 66.000€ (oder welcher Betrag auch immer) die die KBG durch den 1€ Kauf hat: Wieviel € hätte die Stadt in der nächsten Zeit für den Unterhalt und/oder eine Sanierung ausgeben müssen, hätte sie das Gebäude behalten? Irgendwann muss auch für Mieter saniert werden….Energiekosten werden immer höher, daher hätte man z.B. irgendwann die Fenster erneuern müssen…. – auch wenn es "Isolierglasfenster" waren, diese gab es schon in den 70ern und sind daher noch lange nicht mehr gut….
Ich denke man sollte immernoch froh sein, das eine Firma in Homberg investiert und die Stadt ein altes Gebäude weniger hat für das sie bezahlen muss….
Freya, wo leben Sie denn?
Haben Sie die Diskussion nicht verfolgt?
@ Freya
Angebot und Nachfrage regeln den Preis!
Wurde seitens der Stadt die Nachfrage geschürt? Ich kann mich nicht erinnern. Bei der mauen Stadtkasse wären schon Einnahmen zwischen 50.000 – 100.000 € eine gute Sache gewesen.
Für die Kostenbewertung der Sanierung bzw. eines Neubaus fehlt mir das know how. Aber ich denke, dass die KBG entsprechende Berechnungen angestellt hat, schon im Interesse ihrer Mitglieder.
An eine "reine Liebe zur Stadt" mag ich nicht glauben…
Die fleißigen Handwerker scheinen aber einen ins Stadtbild passenden Bau herzurichten.
Ob nun die 5% Grunderwerbssteuer dadurch nur 5 Cent beträgt anstatt mindesten 3300 €, oder ob Schenkungssteuer nach einem vom Finanzamt geschätzten Wert trotzdem in realistischer Höhe anfällt, wer weiß?