Verdeckter Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung – Teil 1
Vergleich: Änderung der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung, Abschnitt III, Ältestenrat, § 4, Abs. 2; Vergleich der bisherigen mit der neuen Fassung
Der Magistrat legte einen Entwurf für eine Änderung der Geschäftsordnung vor, den die Stadtverordneten in der Sitzung am 7. Oktober 2021 einstimmig ohne Diskussion beschlossen. Mit dem Beschluss wird der Kernbereich der demokratischen Selbstverwaltung aus der Öffentlichkeit in ein Hilfsgremium mit sechs Personen verlagert – hinter verschlossenen Türen. Die Stadtverordneten schaffen schrittweise die öffentliche Diskussion und damit die Basis der kommunalen Selbstverwaltung ab.
Beschluss für eine neue Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung
Aufgrund von Änderungen gesetzlicher Vorgaben ist eine Novellierung der Geschäftsordnung für die Stadtverordnetenversammlung und die Ausschüsse erforderlich. Der Ältestenrat hat in seiner Sitzung am 24.09.2021 über die Änderungen beraten und empfiehlt den finalen Entwurf durch die Stadtverordnetenversammlung zu beschließen. Quelle Haupt- und Finanzausschuss 5. 10. 2021
Die Stadtverordneten haben keine Einwände gegen die Änderung des Ältestenrates, dem Kompetenzen übertragen werden, die ihm nicht zustehen. Weder in der HGO noch in der Hauptsatzung der Stadt wird der Ältestenrat erwähnt. Der Ältestenrat ist lediglich eine Hilfskonstruktion, um die Arbeit der Stadtverordnetenversammlung zu organisieren. In der Regel tritt er nur selten zusammen, oder wenn es Streitigkeiten zum Verfahren gibt. Diese können dann im Ältestenrat verhandelt werden, ebenso wie ausfällige Beleidigungen in der Sitzung, wo der Ältestenrat als Schiedsrichter fungiert. Mehr hat der Ältestenrat nicht zu tun. Er bespricht sich hinter verschlossenen Türen.
Mit der Neufassung der Geschäftsordnung soll jetzt auch über Sachthemen unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten werden.
Wie konnte es zu dieser Selbstbeschränkung des Stadtparlaments kommen?
Der Magistrat legte die Neufassung der Geschäftsordnung vor und begründete sie mit gesetzlichen Vorgaben, die die Änderung erforderlich machten. Welche gesetzlichen Vorhaben das sind, legte er nicht dar.
In dem vorgelegten Entwurf sind alle Textänderungen in roter Schrift erkenntlich. Es handelt sich darum, bei den Personen auch die weibliche Form in den Text aufzunehmen. So wird aus "der Bürgermeister" neu "die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister", aus "der Stadtverordnetenvorsteher" neu "die oder der Stadtverordnetenvorsteher" oder eben "die Stellvertreterin oder der Stellvertreter".
Diese an sich lobenswerte Nutzung der weiblichen und männlichen Nennung in der Sprache der Vorschriften wird benutzt, um zugleich unbemerkt demokratischer Grundrecht abzubauen. Das im Grundgesetz Artikel 28 Absatz 2 GG verankert Recht auf kommunale Selbstverwaltung und die daraus abgeleitete Hessische Gemeindeordnung (HGO) bestimmen, dass Stadtverordnetenversammlungen öffentlich sein müssen, von seltenen Ausnahmen im Einzelfall abgesehen. Mit der Änderung soll jetzt der kleine Kreis der Mitglieder im Ältestenrat hinter verschlossenen Türen über die Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung beraten dürfen. Auch wenn sie laut der neuen Fassung keine Beschlüsse fassen dürfen, hier wird ein Mauschelgremium, das sich hinter verschlossenen Türen abspricht, formal legitimiert.
Zugleich ist schon eine Umgehung angelegt, so dass am Ende alles im Geheimen beschlossen werden kann.
Gezielte Täuschung
In dem vorgelegten Entwurf sind die Änderungen in rot gut zu erkennen. Was aus dieser Fassung aber nicht kenntlich gemacht ist: Was wurde aus der bisherigen Fassung gestrichen? Es ist die genaue Aufgabenbeschreibung des Ältestenrats.
Die Vertreter der Fraktionen sollen sich mit dem Stadtverordnetenvorsteher nur über Angelegenheiten des Geschäftsganges der Stadtverordnetenversammlung verständigen. Also über die Arbeitsweise, die Termine.
In der bisherigen Fassung wird es genauer begrenzt:
… namentlich über deren Arbeitsweise, den Arbeits- und Terminplan, die Sitzordnung, die Bestellung von Ausschussvorsitzenden und ihren Stellvertretung.
Diese Beschränkung wurde gestrichen und in der Vorlage nicht einmal erwähnt. Der Vorgang zeigt, dass die Stadtverordneten bewusst getäuscht werden sollen. Jetzt zu Beginn der neuen Legislaturperiode war ein guter Zeitpunkt dafür. Unter den Stadtverordneten gibt es viele, die neu sind und sich mit den geltenden gesetzlichen Gegebenheiten noch nicht auskennen. Diese ließen sich überrumpeln, die "Alten Hasen" machten mit, die es eigentlich besser wissen müssten. Vielleicht haben diese schon in der letzten Periode darauf hingearbeitet – vielleicht um zu verhindern, dass zu viel an die Öffentlichkeit gelangt, für das sie ebenfalls mit verantwortlich sind.
Sollte ein neu in die Stadtverordnetenversammlung gewähltes Mitglied einer anderen Meinung sein, könnte der rasch mit Hinweis auf Parteidisziplin auf Linie gebracht werden, das heißt, zum Schweigen und Mitmachen. Unter den "Alten Hasen" wird keiner den Neuen erzählen, dass sie nicht an Weisungen gebunden sind, sondern nur nach ihrem Gewissen entscheiden sollen. In der Praxis gibt der Fraktionsvorsitzende vor, wie abgestimmt werden soll. Nur bei weniger gewichtigen Abstimmungen kann man sich leisten, abweichende Meinungen sichtbar werden zu lassen. Das ist der Stil, der sich zunehmend in Homberg verfestigt hat.
Die Homberger Anti-Demokraten
Dieser Vorgang zeigt, dass die demokratische Kultur in Homberg systematisch von oben zerstört wird. Die antidemokratischen Kräfte sitzen im Rathaus, wie schon an vielen Stellen im Hingucker dokumentiert werden konnte. Der jüngste Vorgang scheint eine Notmaßnahme zu sein, um möglichst vieles den Augen der Öffentlichkeit zu entziehen, wofür Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung zu recht verantwortlich gemacht werden müssten.
Die Mitglieder des Magistrats sind Wahlbeamte. An der Spitze des Magistrat steht in Homberg ein Volljurist. Doch statt die Rechtsordnung zu schützen untergraben sie diese mit solchen Beschlüssen. Unter den Stadtverordneten gibt es Beamte, die als Lehrer oder in der Verwaltung arbeiten, die ausgebildet sind, rechtliche korrekt zu handeln. Doch sie tun das Gegenteil.
Für diese Manipulation und Täuschung der Stadtverordneten sind die folgenden Wahlbeamten verantwortlich, es sei denn, sie können anhand des Magistrats-Sitzungsprotokolls nachweisen, dass sie an der Sitzung nicht teilgenommen haben oder dass sie gegen diese Änderung gestimmt haben.
Dr. Nico Ritz, Bürgermeister, ohne
Claudia Ulrich, Erste Stadträtin, CDU
Achim Becker, Stadtrat SPD
Peter Dewald, Stadtrat. CDU
Stefan Gerlach, Stadtrat, SPD
Karl Hassenpflug, Stadtrat, FDP
Matthias Hucke, Stadtrat, SPD
Hermann Klante, Stadtrat, FWG
Jan-Peter Klevinghaus, Stadtrat, FWG
Ulrike Otto, Stadträtin, GRÜNE
Otmar Potstawa, Stadtrat, CDU
Frank Wiederhold, Stadtrat, SPD