Vom Bürgerbegehren durch Bürgerbefragung zum Bürgerentscheid
Die SPD stellte Ende April einen Antrag zum Thema Bürgerentscheid zum sogenannten "kommunalen Rettungsschirm", der in der Stadtverordnetenversammlung am 30. Mai 2012 diskutiert wurde. Die SPD-Fraktion beantragte:
"Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen, bezüglich der anstehenden Entscheidung zur Teilnahme der Stadt Homberg (Efze) am sogenannten "Kommunalen Schutzschirm" des Landes Hessens einen Bürgerentscheid gem. §8b HGO durchzuführen. Zur weiteren Prüfung, Beratung und Umsetzung dieses Beschlusses wird der Antrag in den HAFI sowie an die Arbeitsgruppe Haushaltskonsolidierung verwiesen."
Das Thema "Kommunaler Schutzschirm" ist wichtig und bedarf der breiten Aufklärung und Diskussion. Ein Bürgerentscheid kann dazu auch sinnvoll sein, nur kann die SPD-Fraktion ihn nicht im Stadtparlament beantragen. Weder der Haupt- und Finanzausschuss noch die Arbeitsgruppe 'Haushaltskonsolidierung' sind dafür zuständig. Bürgerentscheide sind ein Bürgerrecht auf kommunaler Ebene, das von nur Bürgern in Gang gesetzt werden kann. (Natürlich auch von SPD-Bürgern, aber eben nicht im Stadtparlament) Mit einem Bürgerentscheid können Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung aufgehoben oder verändert werden.
Wenn sich die SPD-Fraktion fünf Minuten Zeit genommen hätte um im Internet nachzuschauen, wäre sie auf das MERKBLATT ZUR DURCHFÜHRUNG VON BÜRGERENTSCHEIDEN IN HESSEN gestoßen. In dem Merkblatt sind alle Informationen zu finden und es wäre in der Stadtverordnentenversammlung auch nicht in die Begriffsverwirrung von Bürgerbeteiligung, Bürgerentscheid und Bürgerbefragung entstanden. Deshalb hier noch einmal in Kurzform:
Vom Bürgerbegehren zum Bürgerentscheid (Bürgerbefragung)
Die Entscheidungsfindung erfolgt in einem zweistufigen Verfahren: Ein Bürgerbegehren (Unterschriften von 10 % der Wahlberechtigten) macht eine einen Bürgerentscheid (Bürgerbefragung) möglich.
Nach der Hessischen Gemeindeordnung können Bürger gegen Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung unter bestimmten Voraussetzungen einen Bürgerentscheid veranlassen.
Nach einem Stadtverordnetenbeschluss können Bürger sechs Wochen lang in einem Bürgerbegehren Unterschriften sammeln, um einen Bürgerentscheid (Bürgerbefragung) zu veranlassen. Während dieser Zeit ruht der zugrunde liegende Beschluss der Stadtverordnetenversammlung.
Wenn 10 Prozent der Wahlberechtigten der letzten Kommunalwahl das Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützen, muss die Stadt den Bürgerentscheid durchführen weil dann davon ausgegangen wird, dass es sich um eine wichtige Frage handelt.
Bei der letzten Kommunalwahl waren 11.332 Wahlberechtigte in Homberg registriert. Demnach müssen für ein Bürgerbegehren Unterschriften von mindestens 1.133 wahlberechtigten Homberger Bürgern gesammelt werden.
Die Stadtverwaltung prüft die Unterschriften auf Gültigkeit. Danach muss die Stadtverwaltung die Bürger über den Bürgerentscheid informieren und spätestens innerhalb von sechs Monaten nach der Zulässigkeitsprüfung den Bürgerentscheid durchführen.
Bürgerentscheide ersetzen Beschlüsse des Parlaments, sind gleichrangig mit diesen und sind rechtsverbindlich.
Fotorechte: Mehr Demokratie e.V.
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Dokumentation
Beispiel für Bürgerentscheide in Hessen in der letzten Zeit
In Hessen gibt es die Regelung zum Bürgerentsheid seit 1993. Seitdem sind 322 Bürgerbegehren durchgeführt worden, die in 108 Fällen zu Bürgerbescheiden führten
Bürgerentscheid am 22.04.2012 in Eschborn
Abstimmungsfrage:
Sind Sie gegen den Abriss des Rathauses?
Bürgerentscheid am 29.01.2012 in Hainburg
Abstimmungsfrage:
"Sind Sie dafür, dass der Beschluss der Gemeindevertretung vom 29.08.2011 rückgängig gemacht wird und keine Stelle eines hauptamtlichen Ersten Beigeordneten geschaffen wird?"
Bürgerentscheid am 22.01.2012 in Heidenrod
Abstimmungsfrage: (Windkraft)
Sind Sie dafür, dass zur Erzeugung umweltfreundlicher, erneuerbarer Energie und zur Verbesserung der Einnahmesituation der Gemeinde nordöstlich der B 260
zwischen dem Egenrother Stock und der Landesgrenze bei Holzhausen Großwindkraftanlagen errichtet werden?
Abstimmungsfrage:(Wasserversorgung)
Sind Sie bezüglich der Wasserversorgung der Gemeinde Heidenrod für die Aufrechterhaltung und den Ausbau der zurzeit durch die Gemeinde überwiegend
praktizierten Wassergewinnung aus Heideroder Wasseraufkommen (Eigengewinnung)?
Bürgerentscheid am 27.11.2011 in Vellmar, St.
Abstimmungsfrage:
Befürworten Sie es, den von der Stadtverordnetenversammlung am 06.06.2011 gefassten Beschluss, mit Hilfe eines erbbaurechtlichen Mietmodells mit einer Projektgesellschaft das Rathaus zu sanieren und das Parkdeck neu zu bauen, aufzuheben?
Bürgerentscheid am 22.05.2011 in Freigericht
Abstimmungsfrage:
"Sind Sie dafür,
– dass der derzeit geltende Bebauungsplan „Golfplatz Hof Trages“ vom 24.01.1992 nicht geändert und sein Geltungsbereich nicht erweitert wird,
– dass deshalb der Beschluss der Gemeindevertretung vom 29.10.2010 sowie der inhaltsgleiche Beschluss vom 18.03.2011 über die Verabschiedung der 1. Änderung und Erweiterung des Bebauungsplans
„Golfplatz Hof Trages“ als Satzung und – dass deswegen auch die entsprechend geänderten Festsetzungen in der ebenfalls am 29.10.2010 sowie
inhaltsgleich am 18.03.2011 beschlossenen fortschreibung des Flächennutzungsplans – Änderung in private Grünfläche mit Zweckbestimmung „Golfanlage“ sowie Änderung in Sondergebiet mit Zweckbestimmung „Golfzentrum“ – aufgehoben werden?"
Bürgerentscheid am 7.11.2010 in Bad Arolsen
Abstimmungsfrage:
Sind Sie dafür, dass der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 06.05.2010, der einen Abweichungsantrag zur Ausweisung einer Windvorrangfläche für den Stadtwald Bad Arolsen/Mengeringhausen zum Gegenstand hat, aufgehoben wird?"?
Dieser Antrag war und ist an “Unkenntnis” nicht zu überbieten. Das Parlament soll etwas beschließen, wozu es kraft Gesetz gerade nicht befugt ist. Und dann soll ein Ausschuß prüfen, wie man, so er denn gefaßt wird, diesen “rechtswidrigen” Beschluß in eine Entscheidung der Bürger umsetzen kann. Nun ja, der Fraktionsvorsitzende hat ja mehr zu tun, als Gesetzestexte und vergleichbare Entscheidungen anderer Kommunen zu lesen, obwohl 5 Minuten Recherche im Internet ausreichen. Diese “Oberflächlichkeit” muß jedem politisch Interessierten weh tun, mir jedenfalls.