HĂŒlsa: Arbeiterwohnheim fĂŒr osteuropĂ€ische âWerksangehörigeâ
Foto: Arbeiterwohnheim der Firma promota.de aus Potsdam für "Werksangehörige" seit 2016, vormals evangelisches Rüstzeitenheim.
Vom Freizeitheim…
Hülsa liegt abseits auf einem Hochplateau des Knüll . Von hier geht der Blick in die Ferne über die bewaldeten Höhenrücken oder zum 634 Meter hohen Knüllköpfchen. Nach Osten führt ein Premium-Wanderweg durch die Lochbachklamm ins Tal nach Wallenstein. Nach Süden führt eine kleine Straße zu einem Wiesental mit bewaldeten Hängen. In dieser idyllischen Lage abseits des Ortes hat die Evangelische Militärmission bis Ende 2015 das Rüstzeitheim „Assa-von-Kram-Haus“ mit 67 Zimmern, Seminarräumen, Gastronomie und Freizeiteinrichtungen betrieben.
Noch immer weisen die weißen Verkehrsschilder im Ort zu dem Haus, das nach dem Söldnerführer Assa von Kram benannt ist, der 1525 in Frankenhausen in Nordthüringen bei der Niederschlagung des Aufstands von 8000 Bauern beteiligt war, von denen 6000 erschlagen wurden. Luther widmete seinem Freund die Schrift „Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können“.
…zum Arbeiterwohnheim
Die Evangelische Militärmission verkaufte das Anwesen an die Firma promota.de GmbH, Potsdam, die es ab 2016 als „Unterkunftsgebäude für Firmenangestellte“ nutzt. Arbeitsplätze für Firmenangestellte findet man in Hülsa nicht. Die ehemalige Wäschefabrik ist schon seit Jahrzehnten außer Betrieb.
Am äußeren Erscheinungsbild des Rüstzeithauses hat sich auf den ersten Blick nicht viel verändert. Auf dem linken Parkplatz vor den Gebäuden stehen Pkws. Erst bei genauerem Hinsehen ist erkennbar, dass sie Nummernschilder aus Polen, Rumänien und der Slowakei tragen. Auf dem Parkplatz rechts der Straße stehen zahlreiche dunkelgraue Kleinbusse. Mit diesen Kleinbussen werden die hier untergebrachten osteuropäische Arbeiterinnen und Arbeiter zu ihren Arbeitsplätzen gefahren. Im Ort bemerkt man davon kaum etwas, es gibt einen Schleichweg nach Appenfeld.
Die neue Nutzung des Komplexes soll planungsrechtlich abgesichert werden. In der Beschlussvorlage des Magistrats der Stadt Homberg heißt es:
"Die promota.de ist „ein bundesweit tätiges Dienstleistungsunternehmen, das unter anderem für ihre einzelnen operativ tätigen Gesellschaften Immobilien für die Unterbringung von deren Mitarbeitern zur Verfügung stellt. Einer dieser Gesellschaften ist die scs supply chain solutions GmbH mit Sitz in Bamberg. Diese Firma erbringt für verschiedene Kunden umfangreiche Dienstleistungen in den Bereichen Produktion und Logistik.“.
Diese Firma scs supply chain solutions hat ihre Mitarbeiter im ehemaligen Rüstzeitheim in Hülsa untergebracht. Die scs supply chain solution gmbh pachtet das Gebäude von der promota.de.
Antrag auf Änderung der Bauleitplanung
„Mit Schreiben vom 20.09.2018 hat die Firma promota.de GmbH, Potsdam, den Antrag auf Änderung der Bauleitplanung gestellt.“
Im Antrag der promota.de wird der Pächter so beschrieben:
„Die scs supply chain solutions gmbh in Bamberg erbringt mit mehr als 1.000 Mitarbeitern im Einzugsgebiet Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Südniedersachsen für verschiedene namhafte Kunden umfangreiche Dienstleistungen in den Bereichen Produktion und Logistik. Um das steigende Arbeitsvolumen ihrer Partner auch zukünftig pünktlich und einwandfrei erbringen zu können, ist die scs darauf angewiesen, geeignete Arbeitskräfte aus anderen Teilen der Bundesrepublik und der EU in der Region einzusetzen, […]
Das Gebäude wird langfristig von der promota.de an die scs verpachtet, die es als Arbeiterwohnheim für eigene Werksangehörige nutzt.
„Die Personen halten sich i.d.R. nur von Montag bis Freitag im Objekt auf.“
• „Die Mitarbeiter haben ihren Arbeitsort in der Region, dies sind zur Zeit Malsfeld, Staufenberg, Ludwigsau und Bad Hersfeld.“
• „In dem Objekt sind Sozial- und Aufenthaltsräume nach den Wünschen der Mitarbeiter eingerichtet.“
• „Den Mitarbeitern werden Kochgelegenheiten in Form mehrerer Gemeinschaftsküchen zur Verfügung gestellt, die Verpflegung liegt in der Eigenverantwortung der Mitarbeiter.“
Die Mitarbeiter werden mit neunsitzigen Kleinbussen zu ihren Einsatzorten gefahren.
Foto: Busflotte mit Potsdamer Nummernschilder auf dem Parkplatz des Arbeiterwohnheims in Hülsa
Der promota.de-Konzern
Nach dem Konzern-Abschlussbericht von 2017 beschäftigte der Konzern 1.829 teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Angestellte und 7.496 geringfügig Beschäftigte.
Diese geringfügig Beschäftigten sind die „Werksangehörigen“, von denen einige in dem „Objekt“ in Homberg-Hülsa untergebracht sind.
Zum promota.de Konzern gehören laut Anteilsbesitzliste 19 Firmen, darunter sechs polnische Unternehmen, an denen der Konzern die Mehrheitsbeteiligung hält. An der scs supply chain solutions gmbh aus Bamberg, an die das Arbeiterwohnheim Hülsa verpachtet ist, hält pormota.de 49 Prozent Anteile.
Zur wirtschaftlichen Lage heißt es im Konzernbericht:
„Der Groß- und Einzelhandel ist unverändert von der zunehmenden Konzentration geprägt. Die verbliebenen großen Handelsunternehmen dominieren den Markt. Dabei gehen sie neue Wege und gliedern Teilfunktionen aus ihren Unternehmen aus, um flexibler und günstiger zu werden. Dieser Trend scheint als Prävention für erwartete Krisen geeignet, um die Anpassung der Betriebskapazitäten schnellstmöglich vornehmen zu können.
Im Ergebnis profitiert die promota-Unternehmensgruppe von dieser Entwicklung.
Die mit der Einführung des Mindestlohnes in 2015 und deren sukzessiven Erhöhung verbundenen Aufgabenstellungen konnten vollständig umgesetzt werden.“
„Die Unternehmensgruppe erzielt ihre Umsatzerlöse mit Service-Dienstleistungen für verschiedene Handelsunternehmen in ganz Deutschland, die vor allem Einräumtätigkeiten und Umbauten von Märkten u. v. m. umfassen.
Dabei erweitert die Unternehmensgruppe stetig ihre Liste der Kunden wie auch den Dienstleistungsumfang.“
„Das Ergebnis vor Steuern beträgt T-EUR 2.808 und zeigt das hohe Ertragsniveau des Konzerns.“
Grafik: Teilabbildung aus dem Firmennetzwerk
Quelle: North Data
Promota.de und Rossmann
Der promota.de-Konzern gehört zu 49 Prozent dem Drogeriemarkt-Betreiber Dirk Rossman, schreibt Werner Rügemer, bei dem weitere Informationen über die Arbeitsverhältnisse in dem Firmengeflecht zu finden sind.
Der Stern befasste sich 2016 wiederholt mit den Arbeitsbedingungen. Hans-Martin Tillack, Reporter beim Stern, sagte in einem Interview zu seinen umfangreichen Rechercheerkenntnissen:
„Roßmann setzt auf Tausende von Billiglöhnern eines Subunternehmens. Sie räumen in vielen seiner Drogeriefilialen die Regale ein. Wir haben monatelange recherchiert und mit mehreren dutzenden Menschen gesprochen, die für das Subunterunternehmen arbeiten. Sie klagten über schlechte Bezahlung, teils unwürdige Arbeitsbedingungen und brutalen Druck.“
Planungsrechtliche Nutzungsänderung
Im November 2018 stand der Antrag zur Nutzungsänderung durch die promota.de auf der Tagesordnung der Homberger Stadtverordneten-Versammlung und wurde vertagt. Er ist auf den folgenden Sitzungen nicht wieder vorgelegt worden.
Aus dem ehemaligen evangelischen Freizeitheim im Außenbereich, ist ein Wohnheim für teilzeitbeschäftigte osteuropäische Arbeiter geworden. Seit Januar 2016 wird der Gebäudekomplex so genutzt, ohne das die Bauaufsicht einschritt. Erst die promota.de selbst stellte den Antrag, die neue Nutzung rechtsverbindlich über den Bebauungsplan zu regeln.
Die Kreisverwaltung untersagte diese Nutzung bis zur Genehmigung nicht, so wie sie es bei der Nutzung einer denkmalgeschützen Scheune für sporadische Kulturveranstaltungen mit sofortiger Wirkung tat. Der Kreisbeigeordnete Jürgen Kaufmann (SPD) sieht darin keine Ungleichbehandlung, wie er schrieb.
Nach den bisherigen Erfahrungen wird wohl auch diese Nutzungsänderung von den Lokalpolitikern genehmigt, und so werden die skandalösen Arbeitsverhältnisse gefördert und verfestigt.
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siehe auch:
Braucht Homberg ein Arbeiterwohnheim für osteuropäische Leiharbeiter?
Report Mainz 04.10.2016
http://www.ardmediathek.de/tv/REPORT-MAINZ/Der-Vorzeigeunternehmer-Rossmann-steht-e/Das-Erste/Video?bcastId=310120&documentId=38116290
Stern 19.04.2016
http://www.stern.de/panorama/video/stern-exklusiv/rossmann–so-mies-werden-billigloehner-bei-der-drogeriekette-behandelt-6794058.html