HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Welches Spiel treibt der Magistrat mit dem Abrisshaus?

Foto des Bildschirms aus der Sendung von SAT1 Diese Erklärung stammt nicht vom Bürgermeister.
sondern von  weisungsgebunden Mitarbeitern.

(…) die Stadtverordnetenversammlung hat sich die
Entscheidung zum Ankauf nicht leicht gemacht.
Nach einem intensiven Abwägungs- und Diskussionsprozess
(…) ist diese dann zu dem Ergebnis gekommen, den Bedarf
und das Entwicklungspotential für den Ortsteil als
entsprechend hoch einzustufen und die Immobilie anzukaufen. (…)

Quelle: Magistrat der Kreisstadt Homberg (Efze),
Stabsstelle Personal & Recht

 

"Der Magistrat hat keine Beschlussempfehlung abgegeben."
heißt es in er 4. Ergänzung der Beschlussvorlage "Dorfentwicklung Wernswig;
Genehmigung des notariellen Kaufvertrages zum Erwerb  Hauptstraße 35".
Diese letzte Fassung der Beschlussvorlage wurde am 21. März 2024 in das
Ratsinformationssystem (RIM) eingestellt.
An dem Tag, an dem abends die Stadtverordnetenversammlung stattfand.
 

Keine Beschlussempfehlung des Magistrats?

Nachdem am 15. Juni 2023 die Stadt bei der von ihr selbst beantragten Zwangsversteigerung leer ausging, beschloss der Magistrat am 30. November 2023, mit dem Erwerber Kontakt aufzunehmen. Zwei Monate später war sich der Magistrat mit dem Erwerber handelseinig geworden und hat beim Notar am  25. Januar 2024 den Kaufvertrag über 125.000 Euro abgeschlossen.

Die Stadtverordneten hatten bis zu diesem Zeitpunkt – nach den öffentlichen Unterlagen – davon keine Kenntnis. Der Magistrat hat eigenmächtig gehandelt und erwartet, dass die Stadtverordnetenversammlung – wie üblich – blind zustimmt.
Zur Erinnerung: Die gesetzliche Aufgabe der Stadtverordneten lautet: Kontrolle des Magistrats.
Der Magistrat hat nicht im Auftrag der Stadtverordnetenversammlung gehandelt, denn die wusste nichts davon, und hat somit keinen entsprechenden Auftrag erteilt.
Der Magistrat ist für die Entscheidungen der Stadt verantwortlich. Nach der Hessische Gemeindeordnung (HGO) ist es der Bürgermeister, der alles steuert und vorbereitet. In § 70 heißt es: "Der Bürgermeister bereitet die Beschlüsse des Gemeindevorstands vor und führt sie aus, (…)

Der Magistrat versucht in der Beschlussvorlage auch, den Preis von 125.000 Euro als gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Sie heben hervor, dass der Eigentümer schon Müll, Unrat und alte Möbel entsorgt habe. Auch wurden "bereits Arbeiten am Gebäude vorgenommen, um die bauliche Sicherheit zu gewährleisten (z.B. Reparatur am Dach)".
Was als Reparatur bezeichnet wird, war die Entfernung der Dachziegel auf dem Wohnhaus, ein Teil des Ziegelschutts liegt noch auf dem Hof. Das Wohnhaus wurde statt den ortsüblichen Dachziegeln mit roten Falzblechplatten eingedeckt. 
In der zweiten Fassung der Beschlussvorlage behauptete der Magistrat auch noch, das Gebäude stände unter Denkmalschutz. Auf die Frage, worin der Denkmalwert des Abbruchhauses läge, korrigiert sich der Bürgermeister und erklärte, man habe noch einmal nachgesehen. Das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz, es "ist  lediglich Teil einer Gesamtanlage nach § 2 HDSchG." 
Die Antwort war falsch. Eine Gesamtanlage für die ein Ensembleschutz gilt, hätte im Flächennutzungsplan mit der Begrenzung ausgewiesen sein müssen. Wenn es solchen Schutz gegeben hätte, wäre die Umdeckung des Wohnhauses mit den Trapezblechen nicht genehmigungsfähig gewesen.

Nachdem die IKEK-Studie zur Dorferneuerung vom 17. März 2022 dieses Gebäude und Umfeld untersucht hatte, formulierten die Gutachter auf Seite 193:

Entsprechender Sanierungsbedarf wird im Bereich Hauptstraße/ Mittelgasse gesehen, ein Vorhabensteckbrief wurde bereits in den Zeit-, Kosten- und Finanzierungsplan aufgenommen (Projektnr. 44.1 + 44.2).:

Projekt Ortsmitte Wernswig, Seite 252 der IKEK-Studie

Zur Sicherung dieser Planung hätte die Stadt eine Veränderungssperre beschließen und damit das Interesse anderer Bewerber vermeiden können. Mit einer Veränderungssperre hätte die Umgestaltung begonnen werden können. Das war vor der Zwangsversteigerung, das Objekt hätte zu einem deutlich niedrigeren Preis übernommen werden können. Aus der Studie hat die Stadt nicht die Konsequenzen gezogen und nicht vorausschauend geplant.

Die Mitglieder des Magistrats mit Bürgermeister Dr. Nico Ritz an der Spitze haben nicht nur dem Kaufpreis von 125.000 Euro vereinbart, sie haben damit auch die Verpflichtung übernommen, die Nebenkosten des Kaufvertrags zu übernehmen, die in der Regel bei 10 Prozent des Kaufpreises liegen, also rund 12.500 Euro.

 
Der Magistrat wusste, dass bei dem Grundstück durch die früher dort betrieben Werkstatt hohes Gefährdungspotenzial für das Grundwasser besteht. Dieser Altstandort wurde mit in die "Branchenklasse 4 – hohes Gefährdungspotenzial" eingestuft.

Der Magistrat wusste bei Vertragsabschluss, dass der Abriss und die Entsorgung  der Altlasten umfangreich und kostenintensiv sein wird.

Trotzdem hat der Magistrat am 25. Januar 2024 den Kaufvertrag abgeschlossen, vorbehaltlich der Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung. Mit dem Vertragsabschluss sind bereits Notarkosten entstanden, die die Stadt zu zahlen hätte, falls die Stadtverordnetenversammlung nicht zustimmen würde.

In der Beschlussvorlage gibt es immer auch die Rubrik: "Finanzielle Auswirkung der Beschlussfassung" dort ist nichts eingetragen, keine Kostenstelle, kein Sachkonto, keine Angaben über die verfügbaren Mittel nach Haushaltsplan, bzw. verfügbare Mittel.

So locker wird über wahrscheinlich mehr als zusammen 150.000 Euro entschieden. Rechtswidrig, weil der Magistrat dafür weder durch den Haushaltsplan noch durch einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung beauftragt war.

 
Bundesweite mediale Beachtung

Durch die bundesweite mediale Aufmerksamkeit auf diesen Fall der Steuerverschwendung kam auch ein Vertreter des Bundes der Steuerzahler zu Wort. Sein Urteil war: Das hätte man zu geringeren Kosten erwerben können, wenn man es ordentlich vorbereitet hätte.

Die Kapazitäten hätte die Stadt mit zwei angestellten Juristen gehabt, diese juristische Ausstattung ist für eine Kleinstadt wie Homberg ungewöhnlich. Diese Juristen haben versagt.
Der Magistrat und die Stadtverordneten haben mit ihrer Bestätigung des Kaufvertrags der Stadt einen hohen Schaden zugefügt. In einem solchen Fall steht am Ende der Bürgermeister in der Pflicht, gegen den Beschluss der Stadtverordneten Einspruch zu erheben, dazu ist er nach § 63 HGO – Widerspruch und Beanstandung – der Hessische Gemeindeordnung (HGO) verpflichtet.
Zu der Rechtmäßigkeit des Kaufbeschlusses erklärte mir der Bürgermeister am 25. März 2024 per Mail: "Gleichwohl werden wir ihn erneut – in diesem Fall extern – überprüfen lassen. Bis dahin wird der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung (noch) nicht umgesetzt."

 
Haftung kommunaler Mandatsträger

Die Mitglieder der Magistrat sind juristisch "kommunale Mandatsträger" und sind persönlich haftbar.

Zur Haftung kommunale Mandatsträger heißt es bei Wikipedia:

Vielmehr sind sie zum freien Handeln verpflichtet, welches sich ausschließlich nach dem Gesetz und der durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung richten darf. Sie haben die gleichen Sorgfaltspflichten wie hauptamtliche Amtsträger. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Sorgfaltspflichten der kommunalen Mandatsträger.[1] D. h., deren Entscheidungen müssen sorgfältig vorbereitet und mögliche Konsequenzen müssen abgewogen sein. Bei fehlender Sach- oder Rechtskenntnis müssen Auskünfte, z. B. bei externen Fachleuten, eingeholt werden. Obwohl kommunale Mandatsträger meistens juristische und fachliche Laien sind, gilt für sie kein milderer Maßstab.

Wer den Fall extern prüft und wie das Ergebnis sein wird, ist noch nicht veröffentlicht.

 


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