Ansicht der hessischen Denkmalpflege zum Umbauplan der Schirnen
Wie ich bereits angekündigt hatte, habe ich um eine Begründung für die denkmalpflegerische Genehmigung zur Öffnung zweier historischen Schirnen beim Hessischen Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden nachgefragt.
Anfang der Woche bekam ich eine Antwort und einen Aktenvermerk des zuständigen Sachbearbeiters. Im Anschreiben heißt es:
Diese Stellungnahme (gemeint ist der Aktenvermerk) ist mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abgestimmt. Von daher sehen wir die Bemühungen der Stadt Homberg als durchaus positiv. Aus den von Ihnen übersandten Fotos zeigt sich deutlich die "Vorbelastung" mit den auffälligen Befensterungen, die xxx im Vermerk anspricht. Wichtig ist uns, die auffälligen weißen Befensterungen zeitnah ebenfalls zu einer ansprechenderen Lösung zu bringen.
Hier die Abschrift des Vermerkes des Hessischen Landesamtes für Denkmalpflege, Marburg
Vermerk Homberg (Efze) Schirnen am Marktplatz Marburg/Homberg 27.07.2017.
Der Homberger Marktplatz zeichnet sich durch ein geschlossenes Fachwerkensemble aus. In dessen Mitte befindet sich die Stadtkirche St. Marien mit dem vorgelagerten Kirchplatz. Sie erhebt sich Ober einer Substruktion, mit historischen Kellern den sog. Schirnen, die sich zum Marktplatz orientieren und sich dort mit einer prägnanten Fassade öffnen.
Die Schirnen stehen seit längerer Zeit leer. Der Magistrat der Stadt Homberg beabsichtigt daher seit geraumer Zeit, die Räumlichkeiten einer Nutzung zuzuführen.
Geplant ist eine gewerbliche/gastronomische Nutzung. Eine Umbaumaßnahme schließt zwei wichtige denkmalpflegerische Verbesserungen ein:
+ Die raumklimatischen Verhältnisse in den Kellern werden nach Abschlug der Sanierung durch eine sachgemäße Abdichtung und Optimierung der Lüftungssituation erheblich verbessert sein und dienen nachhaltig dem Erhalt der Bausubstanz.
+ Das heutige Erscheinungsbild der Schirnen zeichnet sich durch ein Nebeneinander unterschiedlicher Zeitschichten aus. Besonders auffällig ist der durch unterschiedliche Nutzungen bedingte Einbruch von Wandöffnungen, die in der Mehrzahl von Kunststoffenstern bzw. Kunststofftüren geschlossen werden.
Die zur Genehmigung eingereichten Planungen sind das Ergebnis von Gesprächen zwischen der Stadt Homberg, der Unteren Denkmalschutzbehörde des Schwalm-Eder Kreises und dem Landesamt für Denkmalpflege. Ziel sollte es sein, die beiden mittleren Öffnungen bis zu den im Mauerwerk kenntlichen Überfangbogen zu öffnen.
Die dort befindlichen Spolien sollen in die gläserne Außenhaut schadensfrei integriert werden. Die Rahmenkonstruktion, welche die Öffnungen trägt, wird aus Metall mit filigranen Profilen hergestellt, und ermöglicht somit einerseits eine deutliche Transparenz von Innen nach Außen und bietet ein belastbares statisches Gerüst für die integrierten historischen Ausstattungsgegenstände.
Die seitlichen Schirnen bleiben unangetastet. Es wäre sicherlich wünschenswert, wenn der Kunststoff der dortigen Wandöffnungen im Nachgang zu der geplanten Maßnahme durch ein geeignetes Material ersetzt würde.
Anzumerken ist, dass die geplante Maßnahme reversibel ist.
lm Rahmen der Abwägung hat die zuständige Denkmalschutzbehörde im Benehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege dem Antrag der Stadt Homberg zugestimmt und die Verglasung zweier Schirnen genehmigt.
Prof Dr. Peer Zietz, Oberkonservator
Leider geht die Behörde gar nicht auf die Historie der Schirnen ein. Eine historische Einordnung, Nutzungshistorie, Baujahr fehlt. Sie setzt sich auch nicht mit der Bewertung von Prof. Dr. Großmann (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg und anerkannter Denkmalpfleger) auseinander. Die Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Großmann hatte ich der Behörde in der Anfrage zur Kenntnis gegeben.
Die Ausführungen zu den Feuchteverhältnissen negiert schlicht, dass dieser Zustand einem Planungsfehler zuzuschreiben ist, der nicht im Zusammenhang mit der Verglasung der Schirnen steht. Hier hätte der Planer oder der Verantwortliche seitens des Magistrates in die Pflicht genommen werden müssen.
Foto: Die Frontmauer und die Fenstergewände von 1590 sollen abgebrochen und durch eine Metall-Glaskonstruktion ersetzt werden
Ein Problem sehe ich auch in der Besonnung der Glasfront in den Sommermonaten, Schwitzwasserbildung wird bei nicht ausreichender Belüftung die Folge sein. Letztendlich muss eine große Markise auch über die äußeren Sitzplätze angebracht werden, um bei der heutigen Sonneneinstrahlung überhaupt draußen sitzen zu können.
Welche Historischen Ausstattungsgegenstände gemeint sind, bleibt offen. Ich war selbst einmal in den Schirnen und habe keine sichtbaren Ausstattungsgegenstände außer der Baukonstruktion gesehen.
Die dann folgenden Ausführungen sagen letztendlich, man kann ruhig die Originalsubstanz abreißen, die noch vor dem Hessentag mit Fördermitteln aufwendig saniert wurde, um optisch passende Fenster einzubauen. Die Kunstofffenster stören. Vergessen wird, dass diese Fenster entweder baurechtlich genehmigt oder ungenehmigt eingebaut worden sind. Ein Austausch der Fenster und Türen kommt sicherlich billiger als die Verglasung. Mit anderen Worten: Besser eine große Operation als minimalinvasiv, wie die Mediziner sagen.
Befürworter sagen, es ging um Sehen und Gesehen werden. Die paar Leute die es nötig haben, gesehen zu werden, werden uns nicht das Heil bringen und dem Betreiber den wirtschaftlichen Erfolg. Die Schirnen sind ein touristisches Highlight und suchen ihres Gleichen. Denn nur die Touristen können uns das Geld bringen, nur wenige Homberger verfügen über die Mittel und die Zeit, jeden Tag auf dem Marktplatz zu frühstücken oder ein Eis zu essen, um gesehen zu werden. Durch die Vorgabe der Verglasung wird auch der wirtschaftliche Betrieb einer Gastronomie ernsthaft in Frage gestellt.
Vorbildfunktion der öffentlichen Bauherren?
Als Denkmalbesitzer bin ich über einen Satz besonders erschrocken, nämlich, die Maßnahme ist reversibel. Bedeutet dies nicht einen Freibrief für Schwarzbau und Zerstörung von Denkmälern? Danach kann ich ja das eigentlich Schützenswerte neu herrichten, die vierte Dimension die Geschichte, das Authentische, spielt keine Rolle mehr. Daher kann ich die Gängelung der Behörde in anderen Fällen nicht verstehen. Große Glasfenster, falsche Anstriche oder nicht denkmalgerechte Materialien sind alle reversibel.
Ich wünschte Frau Katharina Thiersch zurück, die mich mit Herz und Verstand beraten hat, sie hat mir das Sehen von schützenswerten Ensembles und Baudenkmälern beigebracht. Gerade in den Siedlungen unseres Kreises sind so viele Schätze, die es gilt zu erhalten. Wenn es die Behörde nicht will oder kann, müssen wir es eben tun.
Wie sagte doch ein FDP Politiker dieser Stadt: "Faule Zähne muss man ziehen" !
Kann es sein, dass der Denkmalpfleger ( ?? Pfleger? ) die Rahmen der Fenster wohl aus Holz sind und sich damit in jeder beliebigen Farbe streichen lassen?, Evtl. sogar die Schirnen und deren Geschichte gar nicht kennt?
Die Obere Denkmalschutzbehörde die untere gewähren lässt, um ja nicht einen Eklat herauf zu beschwören?
Wo hat bisher denn seit 2007 irgendeine Behörde Hombergs Vorgehensweisen kontrolliert oder bemängelt?
Eine Ausnahme gibt es: Schwarzbau Skaterbahn !
Herr Dr Lambrecht.
Ich bin in keinem Cafe oder Restaurant, bzw. Eisdiele, um zu sehen oder gesehen zu werden. Mir macht es Freude, diese Einrichtungen zu besuchen und zu nutzen. Mit meiner Anwesenheit betrachte ich mich auch nicht als Heilsbringer. Touristen sind meist Menschen, die sich für Geschichte und Kultur intressierenm und unsere Stadt nur sporalisch besuchen.
Der bericht zeigt mir, das Sie von Wirtschaftlichkeit keine Ahnung haben. Weglaufen vor Problemen ist auch nicht meine Art. Gerne lade ich Sie zu einem Kaffee ein.
Hallo Dottore,
diese Einladung würde ich nicht annehmen. Wer so etwas ohne Klarnamen schreibt, scheint anderes im Schilde zu führen.
Auch scheint sie oder er dem wachsenden Tourismus in der Grimmheimat keine Wachstumssteigerungen zu wünschen, da die nur einmal kommen werden. Ich frage mich dann, wie der/die Gute zu dem Haus der Reformation steht, wo doch da hauptsächlich Touristen angesprochen werden sollen. Ein Blick nach Fritzlar mit den sporadisch auftauchenden Busladungen von Touristen straft den Schreiberling Lügen.
Also die Einladung nicht annehmen!!!
Ich möchte auch am Grundkurs für Wirtschaftslehre teilnehmen und meinen Horizont erweitern.
Meinen Kaffee bezahle ich sogar selbst. đ
Denk Mal scheint was Denkmalpflege angeht ein Fremdwort zu sein.
Ein Synonym für das Homberger Modell.
Das ganze Viertel zwischen Obertor – Bergstr.- Rathausgasse und Obertorstr. ist ein deutliches Merkmal wie man mit der Substanz nicht umgehen sollte.
Das Wallensteinsche Stift mit seinen davorliegenden Gärten wurde zunächst dem Busbahnhof die geopfert. Das ehemalige Landratsamt verschandelt und damit das Wallensteinsche Stift endgültig als Denkmal, losgelöst vom Umfeld wer oder weniger vernichtet.
Wären nicht einige Idealisten gewesen, gäbe es weder Haus Stolzenbach noch den Löwen, so wie sich beide Gebäude heute präsentieren.
Mit dem was sich in den letzten Jahre in Homberg getan hat kann man nur noch mit Satire fertig werden. Oder mit Kopfschütteln leider.
Auch in Melsungen hat die Denkmalpflege bei zwei Gebäuden der Vernichtung von Fachwerk zugestimmt:
Gegenüber dem Eingang der Stadtkirche ( noch einigermaßen erträglich gestaltet ) und der Neubau der städtischen Wohnungsbaugesellschaft zwischen Kasseler Straße (Ernsting) und Burgstraße.
Ganz in weiß mit großen Fenstern hinter denen man eine Zahnarztpraxis findet. Die Fensterfluchten passen nicht zu den übrigen Gebäuden. Das Ganze sieht aus wie eine Zahnlücke. Von wegen Belebung und Wohnraum und damit Menschen in der Innenstadt.
Wie Hornberg mit der Belebung durch Ärztehaus, Jobcenter und Kindergarten.
Aufgrund der Stellungnahme der Denkmalpflege zum Umbau und Öffnung der Schirnen bezweifele ich ernsthaft, ob man sich überhaupt mit der Statik der Schirnen und ihrer Bedeutung für die Reformationskirche St. Marien beschäftigt hat. Inwieweit die Kirchenverwaltung in die Überlegung zur Öffnung der Schirnen eingebunden wurde, bleibt offen. Die Denkmalpflege hat sich mehr mit der Optik beschäftigt.
Auch Georg Ritter wies bereits in einer Veröffentlichung im „Blickpunkt Kirche“ auf die Bedeutung der Subkonstruktionen hin. Er zitiert aus Gotik in Hessen von Prof. Kiesow (ehemaliger Leiter des Hessischen Landesamtes für Denkmalpflege): Für das Bauen am relativ steilen Hang waren aufwändige Substruktionen erforderlich.
Man hat sich hier einer uralten Gewölbeausbildung bedient und sogenannte Kavaten, wie am Erfurter Dom, Schloss Altenburg oder der Stadtkirche in Görlitz bedient.
Das bedeutet anders ausgedrückt, die Streifenfundamente zwischen den Schirnen sind direkt auf die Pfeilerfundamente von Kirchturm und Kirchenschiff ausgerichtet.
Bei der jetzigen Planung soll die bereits, vermutlich illegale Verbindung zwischen den Schirnen erweitert werden. Welche Auswirkungen dies auch auf die gesamte Kirchenstatik hat, ist unbekannt. Dieser Problematik sollten sich auch die potentiellen Käufer bewusst sein. Spätestens wenn die Baustatik vorgelegt werden muss, wird sich zeigen was gegebenenfalls auf den Käufer zusätzlich zukommt. Insofern kauft er die Katze im Sack.