HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Freitag der Gegensätze Teil 2: Prekäre Arbeit

 

 
Illegale Nutzung

Seit 2 Jahren wird das ehemalige Rüstzeitheim "Assa-von-Kram" in Hülsa von dem neuen Eigentümer als Wohnheim für osteuropäische Leiharbeiter benutzt. Die neue Nutzung ist nicht genehmigt. Das Haus wird illegal benutzt, das weiß auch die Bauaufsicht und hat trotzdem kein Nutzungsverbot mit sofortiger Wirkung erlassen, wie sie es in einem andern Fall getan hat.

Nachdem die Firma selbst eine planungsrechtliche Änderung beantragt hat, wurde im November 2018 in der Stadtverordnetenversammlung darüber nicht beschlossen und der Antrag und der Aufstellungsbeschluss für das Verfahren vertagt.

Die Stadtverordneten haben die Planungshoheit. Sie können entscheiden, was sich in der Kommune entwickeln soll. Dafür sind Bebauungspläne da. Will die Stadt die Leiharbeit dadurch fördern, in dem sie dieses Sondergebiet Rüstzeitheim einer neuen Nutzung zuführt?

Wenn Wohnungen in den Ortschaften für Monteurswohnungen umgenutzt werden, hat die Stadt kaum Möglichkeiten, das zu verhindern.
In Hülsa ist das Gelände als ein Sondergebiet für nur eine besondere Nutzung ausgewiesen, nur diese ist zulässig. Hier hat die Stadt die Möglichkeit zu steuern.

Den modernen Sklavenhandel nicht unterstützen

In der Stadtverordnetenversammlung am 15. März hielt die Stadtverordnete Elke Mittendorf (FWG) die folgende Rede:

Guten Abend meine Damen und Herren vom Stadtparlament, vom Magistrat und den Bürgern der Stadt Homberg und Umgebung.

Heute soll entschieden werden, ob das Rüstzeitheim Assa-von-Kram-Haus in Hülsa lt. bisheriger BLP Sondergebiet -Rüstzeitheim des Ev. Militärbischofs- oder wie am 23.07.2015 schon beschlossen Sondergebiet – Betreutes Wohnen für Senioren bestehen bleiben soll oder ob man die BLP zu einem Sondergebiet – Beherbergungsbetrieb – umwidmet.

Hat dies Folgen für die Stadt? – Nur der Betreiber ist rechtlich abgesichert, denn wenn man das Assa von Kram Haus in seiner alten Bestimmung lassen würde, müsste der Kreis dem Unternehmen eine Nutzungsuntersagung aussprechen. Das hätte dann zur Folge, dass das Gebäude leer stünde und das Unternehmen andere Unterkünfte suchen müsste.

Nur viele der hier Anwesenden so denke ich, wissen wahrscheinlich nicht wer oder was Promota ist.

Promota ist eine Firma, die Menschen aus anderen EU-Ländern beschäftigt. Diese Firma verleiht ihre Arbeitnehmer an Firmen (wie Rossmann, Amazone und DHL) die in der Logistik- und Produktionsbranche Arbeitnehmer suchen, um ihren so genannten „Personalengpass“ zu meistern.

Da bei uns der Mindestlohn eingeführt ist und der auch an die Leih- und Zeitarbeiter ausgezahlt werden muss bzw. sollte, ist es für diese Arbeitnehmer nach Abzug aller Nebenkosten immer noch rentabel, einen Vertrag mit solchen Firmen einzugehen.

Ein hier dauerhaft ansässige Arbeitnehmer könnte von diesen Löhnen seine Familie nicht ernähren – nein, er muss sich da die Frage stellen: will ich meine Arbeitskraft für so einen Lohn opfern, obwohl ich, trotz Arbeit meiner Familie nichts bieten kann ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung von Stadt, Kreis und Land oder Bund.

So müssen wir uns die Frage stellen, wollen wir ein solches Unternehmen unterstützen oder nicht?
Wenn wir mit Ja abstimmen, müssen wir uns auch im Klaren sein, dass wir ein Unternehmen unterstützen, das den Arbeitsmarkt kaputt macht, weil die Betriebe, die solche Firmen beauftragen, sich nicht mehr auf dem normalen Arbeitsmarkt ihre Arbeitskräfte besorgen wollen.

Dafür wurde am 04.04.1967 gesetzlich Tür und Tor geöffnet und am 22.10.2008 dies sogar EU-weit legalisiert.

Ich werde aber aus den Erfahrungen in meiner Vergangenheit solche Firmen nicht unterstützen, egal ob legal oder nicht. Mir ist es auch gleichgültig ob VW, Amazon oder Rossmann oder sonstige Speditionen, die sich in der Vergangenheit hier in und um Homberg niedergelassen haben, davon provitieren.

Daher werde ich bei diesen zwei Tagesordnungspunkten 9 und 10 mit NEIN abstimmen, weil ich diesen modernen Sklavenhandel nicht unterstützen will.

Wie die hier Anwesenden Stadtverordneten abstimmen kann und will ich nicht beeinflussen, denn das muss Jeder mit sich selbst ins klare bringen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Für diese Rede erhielt Frau Mittendorf viel Beifall der Grünen. Der Fraktionsvorsitzende Klaus Bölling (Bündnis90/Die Grünen) forderte die Stadtverordneten ebenfalls auf, diese Nutzungsänderung abzulehnen. Hier wird das Wohlstandgefälle innerhalb Europas ausgenutzt. Wer wünscht sich solche Arbeit unter solchen Bedingungen in der Fremde, wie sie diese Menschen erbringen müssen?, fragte er die Anwesenden. Er wies auf die sich christlich nennenden Gewerkschaften DHV hin, die nur das Ziel haben, Lohndumping zu betreiben, indem sie Haustarife abschließen, die diese Unternehmen begünstigen.

Die Stadtverordneten von CDU, SPD und der FWG-Mehrheit sind anderer Meinung. Wenn die Nutzungsänderung nicht erlaubt werden würde, dann würden diese Firma Schrottimmobilien aufkaufen und darin die Leiharbeiter unter unmenschlichen Bedingungen unterbringen. Das wolle man nicht fördern, so die gemeinsame Haltung. Die Leiharbeit können sie als Stadtverordnete nicht abschaffen, sie können aber für gute Wohnverhältnisse sorgen. Wenn die Umnutzung nicht erlaubt werden würde, dann würden die Schwächsten in der Kette bestraft.

Was da im Mantel geheuchelter Fürsorglichkeit daher kommt, ist nicht sozial, nicht christlich sondern nur abstoßend.
Mit dieser Lohndumpingspolitik werden auch die deutschen Arbeitnehmer unter Druck gesetzt, wie es die Beschäftigten der Bettenwelt erlebt haben.

Laut HNA ist der Fraktionsvorsitzende der CDU Christian Haß der Meinung:

 „Wir müssen sicher stellen, dass solche Arbeiten erledigt werden“

Gemeint sind die prekären Arbeitsverhältnisse, die nach seiner Ansicht keiner mehr machen will. Nach der Theorie der Marktwirtschaft bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis, in diesem Zusammenhang den Preis der Arbeitskraft, den Lohn. Wenn die Nachfrage für solche Arbeiten nicht erfüllt werden kann, dann muss der Preis, der Lohn steigen. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht man, wie es tatsächlich zugeht. Es wird gesucht, wo man noch billiger Arbeitskräfte herholen kann. Menschen, die in solchen Notlagen stecken, dass sie keine andere Wahl haben. Auf diese Weise und auf Kosten dieser Menschen bekommen wir billiges Gemüse aus Andalusien, billiges Fleisch aus Niedersachsen, geschlachtet von billigen und nahezu rechtlosen Arbeitnehmer aus Osteuropa. Auf diese Weise werden die Hotels der Luxusklasse geputzt wie in Düsseldorf und so weiter.

Wer sich über diese Arbeitsverhältnisse informiert und nicht die Augen verschließt, wird wie die Stadtverordnete Elke Mittendorf auch zu der Auffassung gelangen, dass es sich hier um moderne Formen der Lohnsklaverei handelt.

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7 Kommentare zu “Freitag der Gegensätze Teil 2: Prekäre Arbeit”

  1. Dr. Klaus Lambrecht

    Für mich sind die Argumente für die Einleitung der Bauleitplanung zur Legalisierung der Nutzung des ehemaligen Rüstzeitsheims reine Heuchelei. Lesenswert zum Verständnis:
     https://www.stern.de/wirtschaft/news/was-das-gesetz-zur-leiharbeit-bei-rossmann-sagt-6794368.html
    Wer für solche Machenschaften ist, macht sich zum Handllanger von Ausbeutung. Das hat nichts aber rein garnichts mit der Fürsorge um die Leiharbeiter zu tun. Die Begründungen  sind so erbärmlich. Ich danke ausdrücklich denen, die sich gegen die Planung ausgesprochen haben.
    Mich würde mal interessieren, was diesen Arbeitern unterm Strich für Ihre Arbeit in einem Monat gezahlt wird? 
    Es mag nach baurecht jetzt legalisiert werden, aber mit Menschwenwürde und Fürsorge hat das nichts zu tun.

  2. Phil Antrop

    Hat denn einer der Stadtverordneten die sich hier als "Menschenfreundlich " darstellen, je Kontakt zu den Arbeitnehmern gehabt, gesucht oder mal sie aufgesucht, sie begleitet?

    Wahrscheinlich nicht. Insofern ist der Ausdruck "erbärmlich" den Dr. Lambrecht verwendet voll treffend !

  3. Homberger jeck

    Ich dachte, die närrischen Zeiten seien vorbei. Dazu fällt mir ein, zugegeben etwas herber, Vergleich ein:

    "Wir lassen ein ordentlich geführtes Bordell zu, da sind die Zwangsprostituierte gut untergebracht"

    🤡

  4. Opa

     

    Die Älteren können sich sicher an die Zeit erinnern, als die SPD noch eine verschworene Arbeiterpartei war. Zusammen mit den Gewerkschaften trat sie für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der "kleine Leute" ein.

    Lange ist es her….

    Damals hätte es keinen Unterschied gemacht, ob es sich bei den prekären Arbeitsverhältnissen im Niedriglohnsektor um deutsche oder ausländische Arbeitnehmer gehandelt hätte.

    Gerhard Schröder war dann stolz, viele Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor untergebracht zu haben.

    Der Niedergang der SPD begann und hält bis heute an – trotz bisher erfolglosen Drehungen an den Stellschrauben.

    Die Frage kann nur lauten, wer folgt auf Andrea Nahles?

     

  5. Zugezogener

    Hier, in der schönen Stadt Homberg, wird vieles als Erfolg verkauft, was diesen Namen wirklich nicht verdient.

    Das kann die politische Klasse überall?

    Stimmt, aber die Homberger Politiker der 1. Reihe sind so finderisch in Ausreden und Schönreden, wie ich es an meinen bisherigen Wohnsitzen nicht erlebt habe.

    Manchmal finde ich die öffentlichen Verlautbarungen schon dreist.

    Kindergartenneubau in Mardorf nenne ich dabei exemplarisch.

    Ich kann nur für mich sprechen, aber fühle mich manchmal vorgeführt, den treffenderen Ausdruck verkneife ich mir.

    P.S.:  Trotz aller Widrigkeiten werde ich Homberg treu bleiben.  🙂

    Ich habe nun ein bissl Wagner und viel Dr. Ritz erlebt. 

    Was danach kommt, entscheiden die Homberger Bürger und Bürgerinnen.

    Der Blogbetreiber führt bisweilen schon eine scharfe Klinge. Wie gern würde ich Beiträge von seinen Kritikern ( z. B. Martin, Mitgucker usw.) lesen, die ihn mit Fakten widerlegen.

  6. Rentner

    "Wir müssen sicher stellen, dass solche Arbeiten erledigt werden."

    Zitat Christian Haß, CDU

    Zynismus in reinster Vollendung!

    Wo bleibt das ' C ' wie christlich, Herr Haß?

    Gern würde ich zu ihrer Aussage eine Anwort von Norbert "Nobby" Blüm hören, dem großen Sozialpolitiker der CDU, trotz "die Rente ist sicher", was sie bis heute auch ist.

    Gottlob sind Sie in der Kommunalpolitik zu Hause (…)

  7. Phil Antrop

    Rentner

    "Gottlob sind Sie in der Kommunalpolitik zu Hause"

    Zu Herrn Haß:

    Wie lange ist er CDU Stadtverordneter und schon Fraktionsführer?

    Im Vorstand der JU im Kreis?

    Im Kreisvorstand der CDU?

    2014 Stadtverband Homberg

    An der Spitze des Stadtverbandes steht weiterhin Claudia Ulrich.

    Große Veränderungen gab es hingegen bei den weiteren Vorstandsposten. Als neue stellvertretende Vorsitzende sind Christian Haß, 26 Jahre, Referent im Ministerbüro des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 

    https://www.cdu-homberg-efze.de/index.php?ka=1&ska=1&printit=1&idn=41

    Herr Weinmeister Staatssekretär war da zeitgleich der Staatssekretär. Herr Weinmeister ist der CDU Mann, der sich zur Wahl als Landtagsabgeordneter stellte, um mehr bei der Familie zu sein. Als er gewählt war, wurde er wieder Staatssekretär. Bei der letzten Wahl wurde er kein MdL, aber erneut Staatssekretär. Falls er das nicht geworden wäre, wolltre er in seinen erlernten Beruf – Lehrer – zurückkehren. Lehrer war er genau 1 Jahr !

    https://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Weinmeister

    Juni 2013

    Mein Wahlkampfteam im WK 7 trifft sich bei mir zur weiteren Planung.

    Christian Haß, Katharina Kothe, Matthias Wettlaufer, Michael Schär, Martin Graefe, Norbert Scholz, Jürgen Fischer

    https://de-de.facebook.com/Kukushayner/photos/mein-wahlkampfteam-im-wk-7-trifft-sich-bei-mir-zur-weiteren-planung/464261986995879/

    Wenn ich mich nicht täusche war er auch im Wahlkampfteam von Herrn Siebert.

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