Erfahrungen mit Arbeitsgruppen
Beschluss zur Gründung von Arbeitsgruppen
In der letzten Stadtverordnetenversammlung initiierte der Bürgermeister Beschlüsse, die ihm die Gründung von zwei Arbeitsgruppen zubilligt. Eine Arbeitsgruppe soll "zur weiteren Entwicklung des Einkaufs-zentrums" und die andere zu der Vorbereitung des Kaufs des Kasernengeländes arbeiten.
Beide Arbeitsgruppen sollen sich nach dem gleichen Schlüssel zusammensetzten:
Bürgermeister Martin Wagner
Erster Stadtrat Gerhard Fröde
Stadtverordnetenvorsteher Heinz Marx
Je zwei Vertretern der Fraktionen
Ein Vertreter der Hessischen Landgesellschaft
Abteilungsleiter I
Abteilungsleiter III
Beschlossen wurde, dass die Leitung der Stadtverordnetenvorsteher Heinz Marx hat. Damit ist formal gesichert, dass die Stadtverordnetenversammlung Herr des Verfahrens ist.
Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis
Dieser Spruch scheint auch bei dieser Initiative des Bürgermeisters Pate gestanden zu haben. Erste Anzeichen sprechen dafür, wie in weiteren Beiträgen zu zeigen sein wird.
Arbeitsgruppen können eine gute Einrichtung sein, um vielfältige Gesichtspunkte zu einem Thema einzubinden und durch das Gespräch zu Lösungen zu gelangen, die ausgereifter sind, als die einer Einzelentscheidung. Voraussetzung ist allerdings, dass ergebnisoffen diskutiert wird.
Die bisherigen Erfahrungen mit Arbeitsgruppen in der Amtszeit von Bürgermeister Martin Wagner geben zu solchen Hoffnungen keinen Anlass.
Schlechte Erfahrungen mit Arbeitsgruppen
Beispiel 1: Marktplatzgestaltung
Im November 2003 wurde eine überparteiliche Arbeitsgruppe zur Marktplatzgestaltung beschlossen. Die Leitung sollte Dr. Lambrecht übernehmen. Nach einem halben Jahr sollte das Ergebnis der Stadtverordnetenversammlung als Entscheidungsgrundlage vorgelegt werden.
Schon in der ersten Sitzung wollte der Bürgermeister verhindern, dass eine Powerpoint-Präsentation zur Lage der Stadt gezeigt wurde. Das gelang ihm zwar nicht, er schaffte es aber, die Arbeit der Arbeitsgruppe zum Erliegen zu bringen. Gleichzeitig diente sie ihm als Legitimation für Bürgerbeteiligung, da er sich einige wenige Bürger ausgesucht hatte, mit nur noch denen er die Planung besprach. Nach einem halben Jahr wurden keine Ergebnisse von Wagner vorgelegt. Erst mit einem weiteren Antrag, die Planung offen zu legen, wurde erreicht, dass die Pläne, die bereits von einem Architekten ausgearbeitet worden waren, vorgestellt wurden. Von einem Einfluss der Bürger und der Stadtverordneten konnte nicht gesprochen werden.
Beispiel 2: Bürgerbeteiligung zum Stadtumbau
Das vom Bund und vom Land geförderte Programm "Stadtumbau" verlangt eine breite Bürgerbeteiligung.
Was geschah wirklich? Der Bürgermeister ließ eine kleine Gruppe handverlesener Bürger zu einem Arbeitstermin einladen. Es kamen wenige, der Termin lag in den Sommerferien. Die Architekten, die das Projekt betreuten, zeigten sich über diese geringe Beteiligung sehr verwundert. Sie schrieben im Handlungskonzept:
"Der vom Programm erwarteten Bürgermitwirkung wurden im Vorfeld von den beteiligten Bürgermeister nur geringe Chancen zur Umsetzung eingeräumt, da aufgrund vielfältiger Planungen wie Stadt- und Dorferneuerung, Leader+ Verfahren etc. das bürgerschaftliche Engagement bereits eingefordert und geleistet worden war. Die optimistischen Erwartungen der beteiligten Planungsbüros hinsichtlich einer umfassenden Bereitschaft der BürgerInnen zur Mitwirkung wurden daher nicht geteilt.
Die vorgeschlagene Bürgerbeteiligung in Form von AGs zu einzelnen Handlungsfeldern (s. Pkt. 6) sollte zu einen „trichterförmigen“ Informationsabgleich der Ergebnisse der Kommunalinventarisierung führen.
Darauf aufbauend sollten interkommunale Projektansätze diskutiert und hinsichtlich ihrer politischen und gesellschaftlichen Akzeptanz überprüft werden. Insofern stellte die beabsichtigte Bürgerbeteiligung ein Legitimationsinstrument für die notwendige politische Entscheidungsfindung und das Handeln dar." (S.14) [Unterstreichung vom Hingucker)
"Um eine ausreichende Beteiligung an den Arbeitsgruppen sicherzustellen, wurden von der Geschäftsführung des Interkommunalen Zweckverbandes im Durchschnitt 90 persönliche Einladungen zu den einzelnen AGs an Schlüsselpersonen in den drei Kommunen und z.T. auch darüber hinaus verschickt.
Die Auswahl der einzuladenden Personen wurde entsprechend einer fachlichen Qualifikation/ Verantwortung bzw. einem unterstellten Interesse getroffen." (Integriertes Handlungskonzept, Seite 22, Stand 31.12.2007)
Beispiel 3: Ideen für Homberg
m 9. Februar 2009 wurden die Bürger zu sogenannten runden Tischen in die Stadthalle eingeladen, um Ideen für Homberg zu sammeln. Viele Bürger kamen und beteiligten sich rege an dem Zusammentragen von Ideen für Homberg, die sie auf Karten schrieben und an die jeweilige Thementafel pinnten.
Am Ende des erfreulichen Abends versprach der Bürgermeister die Ideen abschreiben zu lassen, so dass sie für alle verfügbar seien. Bis zum Sommer sollten zu den einzelnen Themenbereichen Arbeitsgruppen die Ideen sichten und die Realisierung prüfen.
Weder wurde die Ideensammlung veröffentlicht (außer im Homberger Hingucker), noch gab es jemals Arbeitsgruppenergebnisse. Allerdings mit einer Ausnahmen: Eine Arbeitsgruppe setzte sich für die Öffnung des Marktes für den Verkehr ein. Seitdem gibt es wieder Durchgangsverkehr über den Marktplatz.
Beispiel 4: Arbeitsgruppe für die Nutzung des Amtsgerichts
Auf Vorschlag des Magistrats sollte sich eine Arbeitsgruppe bilden und sich über die weitere Nutzung des Amtsgerichts Gedanken machen. Falls diese Gruppe überhaupt jemals getagt hat – weder von Ideen noch von dem Einschlafen der Aktivitäten hat man je etwas gehört.
Es braucht wenig Phantasie
Leicht kann man sich vorstellen, wie diese beiden Arbeitsgruppen "arbeiten" werden und wie sie enden.
Ihre Funktion wird wie schon in den vergangenen Jahren darin liegen andere Ziele zu verfolgen, als die zu denen sie eigentlich gegründet worden sind.
Sie sollen Beteiligung vortäuschen, sie sollen mögliche Kritiker beschäftigen und so ruhig stellen, sie sollen Misserfolge kaschieren, ggf. könnte ihnen auch die Schuld für den Misserfolg angehängt werden, sie sollen legitimieren.
Spielball Arbeitsgruppe
Wer sich die vom Bürgermeister vorgelegte Beschlussvorlage genau ansieht, erkennt, es gibt nur einen schwammigen Aufgabenbereich, es gibt keine Beschreibung der Kompetenz, keine Zeitplanung, kein Kriterium, an dem die erfolgreiche Arbeit der Arbeitsgruppe abge lesen werden kann.
Dokumentation
Beschlussvorlage zu Pkt. 11 der Stadtverordnetenversammlung am 15.12.2011
"Die Stadtverordnetenversammlung beauftragt den Magistrat und Herrn
Bürgermeister Martin Wagner, Gespräche und Maßnahmen zur weiteren
Entwicklung des Einkaufszentrums Marktplatz-Ost, zusammen mit der neu zu
gründenden Arbeitsgruppe zu führen und für weitere parlamentarische
Beratungen vorzubereiten.
Dazu gehören:
– Vorbereitung eines städtebaulichen Vertrages
– Vorbereitung der Gründung einer Stadtentwicklungsgesellschaft
Die zu gründende Arbeitsgruppe soll sich zusammensetzen aus:
Bürgermeister Martin Wagner
Erster Stadtrat Gerhard Fröde
Stadtverordnetenvorsteher Heinz Marx
Je zwei Vertretern der Fraktionen
Ein Vertreter der Hessischen Landgesellschaft
Abteilungsleiter I
Abteilungsleiter III
Im Rahmen der Arbeitsgruppe soll der Antrag der Fraktion Bündnis 90 / DIE
GRÜNEN, der in der Stadtverordnetensitzung vom 29.09.2011 beraten wurde,
behandelt werden.
Weiterhin soll sich die Arbeitsgruppe Gedanken zur Wiedereröffnung der Krone und
zur Einrichtung eines Hauses der Reformation etc. machen."
Mal wieder hat sich die Stadtverordnetenversammlung ein prĂ€gendes Zeichen fĂŒr Parlamentarismus gesetzt. Eigentlich sind es die vom Parlament gebildeten AusschĂŒsse, die solche Zuarbeitungen und Vorberatungen erbringen. Sie werden ignoriert und umgangen.
Statt dessen werden Arbeitsgruppen tĂ€tig, deren Arbeitsweise noch keiner kennt und die das Parlament auch nicht festlegt, sondern der BM oder vielleicht noch der Magistrat. Ich bin gespannt, welche „Entscheidungen“ diese Arbeitsgruppen treffen. Kommt es da nicht schon zu einer Selbstbindung bei einem Mehrheitsentscheid einer Arbeitsgruppe. Zwei FDP-Mitglieder bilden die Fraktion und sind gegorene – vom BM erwĂ€hlte – Mitglieder der Arbeitsgruppe.
Nun, es muĂte in dieser Sitzung ja schnell gehen. Keine Aussage zum Nachtrag, sieht masn vom Handheben einmal ab, nur ein Hinweis auf die Rechte und AnsprĂŒche des Parlamentes.
Wachskerzen werden auf dem Weihnachtsbaum abgebrannt. Das Parlament hat sich zum „Wachs“ des BM gemacht.
Lieber Herr Pfalz,
ich gebe Ihnen nur teilweise Recht. Das Problem stellen doch unsere Parlamentarier dar. Sie lassen doch alles geschehen und stimmen dem BGM zu. Er behandelt den GroĂteil der Parlamentarier so wie die Puppenspieler der Marionetten in Wernswig. Er zieht an den FĂ€den und die Puppen bewegen sich.
Es gab mal einen Ausspruch: die Regierung ist so gut wie die Opposition.
Ein beredtes Beispiel ist das vergangene Jahr, aus den Fehlern nichts gelernt, kann man nur sagen.