WĂ€hlen – nicht wĂ€hlen – ungĂŒltig wĂ€hlen ?
Mit Wahlen ist die Vorstellung verbunden, etwas ändern zu können. Ist das möglich?
Der irische Schriftsteller Oscar Wilde sah es schon im vorletzten Jahrhundert anders.
Wie bei der Bürgermeisterwahl im Februar 2020 stehen wieder viele Bürger vor der Frage:
Wählen, nicht wählen oder ungültig wählen?
Bei der letzten Bürgermeisterwahl hatte der wieder kandidierende Amtsinhaber die Stimmen von nur 30 Prozent der Wahlberechtigten erhalten. Das reichte, er konnte das Amt weiter führen. Selbst wenn er die Stimmen von nur 10 Prozent erhalten hätte, wäre die Wahl gültig gewesen.
So ist es auch bei der bevorstehenden Kommunalwahl. Die Höhe der Wahlbeteiligung hat keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Wahl.
Durch Kumulieren und Panachieren kann es nur innerhalb der Listen zu Verschiebungen kommen. Ein Kandidat kann in der Reihenfolge der Liste nach oben oder nach unten rutschen. Die meisten der Kandidaten haben die bisherige Politik mitgetragen und wollen auf relativ sicheren Plätzen wiedergewählt werden, um so weiter zu machen wie bisher. Die innerparteiliche Disziplinierung sorgt dafür, dass neue Bewerber auf der bisherigen Linie bleiben. Die Erfahrung der Vergangenheit hat es gezeigt. Mit einer Wahl kann in Homberg keine Änderung der Politik erreicht werden.
Ernüchternde Erfahrungen
Fachlich qualifizierte Stadtverordnete und Magistratsmitglieder haben sich aus der Politik verabschiedet, weil sie erfahren mussten, dass ihr Fachwissen nicht gefragt ist, schlimmer noch, dass es stört. Fundierte Einwände wurde mit Worthülsen abgespeist. In diesem Verhalten drückt sich die Arroganz der Macht aus, die weiß, dass sie nicht angreifbar ist und sie von den Aufsichtsbehörden gedeckt werden.
Im Stadtparlament wurden Diskussionen abgeschnitten mit der Begründung: Wir haben genug Informationen, wir beantragen Abstimmung – die Abstimmung erfolgte dann von dem Kartell der Mehrheitsparteien. So sieht "demokratische" Kommunalpolitik in Homberg aus und so wird es wohl weitergehen. Die Bürgerliste ist aus diesem Grund nicht wieder angetreten.
Postdemokratie statt "Schule der Demokratie"
Die Kommunalpolitik wird gern als "Schule der Demokratie" bezeichnet. Die im Hingucker in den letzten Jahren 13 Jahren dokumentierten Fälle zeigen, dass auch in dieser "Schule" längst das Instrumentarium der Postdemokratie gelernt worden ist, wie es Colin Crouch in seinem Buch Postdemokratie beschreibt.
Postdemokratie beschreibt die weltweit in demokratischen Staaten stattfindende Verlagerung von Macht, zu Ungunsten einer Mehrheit und zu Gunsten einer zunehmend einflussreicheren Minderheit. Politik wandelt sich dabei zu einem Schauspiel, welches durch Wahlen zwar weiterhin legitimiert ist, auf grundsätzliche Entscheidungen jedoch faktisch kaum noch Einfluss nimmt.
Quelle
Indikator: Wahlbeteiligung
Geringe Wahlbeteiligung ist ein Signal, das Unzufriedenheit zum Ausdruck bringt. Das Wahlergebnis ist zwar legal, aber die Gewählten verfügen sichtbar über keine ausreichende Legitimität.
Es ist das Hauptziel von Wahlen: Die Gewählten wollen sich als legitimiert durch den Bürgerwillen darstellen. Sie sind es nicht, wenn nur so geringe Bürgerstimmen abgegeben werden, wie bei der letzten Bürgermeisterwahl.
Wahlen werden von der Politik aufwendig zelebriert, damit die Politiker dadurch legitimiert erscheinen. Außerdem lenken sie von den Kerngedanken der Demokratie ab: Jeder Bürger hat das Recht und die Möglichkeit, die gesellschaftlichen Bedingungen mitzugestalten. Dazu sind Diskussionen über Alternativen notwendig, diese wiederum bedürfen der Information und der Berichterstattung. Daran fehlt es auf der kommunalen Ebene weitgehend.
Politikverdrossenheit oder Politikerverachtung?
Die Politiker versuchen abzulenken und sprechen von Politikverdrossenheit der Bürger. Sie verschließen die Augen davor, dass die Bürger kein Vertrauen in diejenigen haben, die sich als Vertreter der Bürger darstellen. Es ist auch eine geringe Wahlbeteiligung aus Politikerverachtung. Bürger wenden sich mit Grausen ab schrieb die FAZ. Die Feinde der Demokratie sitzen auch in Rathäusern.
Die Sicherung und Wiederherstellung einer demokratischen Kultur kann von den Parteien nicht erwartet werden, sie verfolgen ihr Eigeninteresse.
Die Bewegung der Schüler für einen aktiven Klimaschutz, die Bewegung Fridays For Future (FFF) ist innerhalb kürzester Zeit weltweit angekommen, weil sie die Sorgen und Ängste vieler Menschen aufgreift. Politiker hoffen weiter, dass ihnen die Schlagworte und Scheinaktivitäten abgenommen werden.