MĂ€rchenstunde im Gericht – Hohe jĂ€hrliche Einnahmen durch Solarpark
Foto: Solarpark 4. September 2012
Am dritten und letzten Gerichtstag im Prozess gegen Ex-Bürgermeister Wagner erzählte sein Verteidiger die Geschichte, wie sie der Richter und der Staatsanwalt anempfohlen hatte. Den Wahrheitsgehalt prüften weder Richter, Staatsanwalt noch Presse. Fakten wurden ignoriert, obwohl sie sei 2005 offen liegen, wie in den folgenden Schritten belegt wird. Welche Interessen verfolgten die Beteiligten im Gericht?
Too big to fail?
Hängen da zu viele Personen mit drin, so dass es bequemer ist, alles unter den Tisch zu kehren?
Hohe jährlich Einnahmen für Homberg
Seit vielen Jahren liefert der Solarpark in Homberg auf dem Gelände des früheren Standortübungsplatzes der Bundeswehr elektrischen Strom aus Sonnenenergie, damit beschert er der Stadt Homberg hohe jährliche Einnahmen. HNA
So beginnt die HNA ihren Bericht über den dritten und letzten Gerichtstag im Prozess gegen Ex-Bürgermeister Wagner.
Die HNA schreibt nicht, dass seit vielen Jahren die Eigentümer ungerechtfertigt erhöhte Preise für den Solarstrom beziehen, abgesichert für 20 Jahre.
Wie hoch sind die "hohen jährlichen Einnahmen"? Bisher war nur bekannt, dass die jährliche Pachteinnahme aus dem Solarpark 75.000 Euro beträgt. Bei 18.000 qm sind das 4,17 Euro Jahrespacht je Quadratmeter, oder monatlich 35 Cent je Quadratmeter. Zum Vergleich: Zu der Zeit musste man für gewerbliche Lagerflächen monatlich ab 2,50 € aufwärts rechnen.Monatliche Pacht von 0,35 Euro je Quadratmeter aus dem Solarpark sind keine "hohen jährlichen Einnahmen".
Pacht: Teil der "privatrechtlichen Leistungsentgelte"
Im Haushalstplan sind die "hohen jährlichen Einnahmen" nicht zu erkennen, sie werden unter "Privatrechtliche Leistungsentgelte" verbucht, zusammen mit mit anderen Mieteinnahmen. 75.000 Euro bei einem Haushalt von 39 Millionen für 2023, das sind 0,002 Prozent des Jahreshaushalts.
Bei einem Vergleich dieser Position in den verschiedenen Haushaltsjahren ist nicht zu erkennen, dass sich durch die "hohen jährlichen Einnahmen" diese Haushaltsposition deutlich veränderte.
Erläuterung zum Haushaltsplan 2015
Die Einlassung des Ex-Bürgermeisters
Am 25. November 2022, dem dritten und letzten Verhandlungstag, gab der Verteidiger von Ex-Bürgermeister Wagner, der Anwalt Krug von Einem, eine Erklärung ab. Die von der HNA dazu veröffentlichten Aussagen werden im Folgenden auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft.
"2006 habe man entscheiden müssen, was mit dem früheren Standortübungsplatz passieren sollt."
Der Standortübungsplatz war weder 2006 noch später in der Diskussion. Der Standortübungsplatz wurde in der neuen Fassung des Regionalplans 2009 zu einem FFH-Gebiet erklärt.
In der Vorbereitung wurde allerdings relativ unbeachtet ein Streifen des Standortübungsplatzes entlang der stillgelegten Eisenbahntrasse herausgenommen und als landwirtschaftliche Fläche deklariert, was diese Fläche auch vor der militärischen Nutzung war. Der Damm der Eisenbahntrasse wäre eine natürliche Begrenzung des FFH-Gebietes gewesen. Wieso der 18 ha lange schmale Geländestreifen nicht zum FFH-Gebiet wurde, ist erst einmal nicht erklärlich und wohl nur aufzuklären, wenn die Protokolle zum Regionalplan durchgearbeitet würden.
Wie leicht der Regionalplan Interessen folgt, ist an dem Beispiel zu erkennen, als Ex-Bürgermeister Wagner mit einem einzigen Brief an die Regionalversammlung ereichte, dass die Standortschießanlage zu eine Gewerbefläche zum "Zwecke der Algenzucht" umgewandelt wurde. Die Umwandlung wurde mit dem Text begründet, der im Brief stand. Die Algenzucht wurde nie gebaut. Die Umwandlung wurde auch nicht zurückgenommen, nachdem eindeutig war, dass die Algenzucht ein kriminelles Projekt eines Firmennetzwerks um die Firma Schumann und Schumann war.
Truppenreduzierung und Nachnutzung der frei werdenden Kasernen
Durch die Umstrukturierung der Bundeswehr sollten bundesweit viele Kasernen aufgelöst werden. Damit würde auf dem Immobilienmarkt ein großes zusätzliches Angebot an Gewerbeflächen entstehen. Das hessische Wirtschaftsministerium gab deshalb eine Studie in Auftrag, deren Ergebnisse 2005 veröffentlicht wurden: Das war Thema der Diskussionen und nicht die Nutzung des Standortübungsplatzes.
Truppenreduzierung und Freigabe von militärischen Liegenschaften durch die Bundeswehr in Nord- und Mittelhessen Susanne Piesk, Christoph Graß, Wilfried Möhrle, Report Nr. 682, Wiesbaden 2005
Kernaussagen zu den Homberger Kasernen:
…rege Nachfrage nach Gewerbeflächen nicht wahrscheinlich…
…von einem Erwerb des Geländes Dörnberg-Kaserne ist abzuraten…
…Von einer Nutzung oder Entwicklung der Ostpreußen-Kaserne in Homberg/ Efze ist abzusehen…
… Eine solche Splitternutzung ist daher in der Ostpreußen-Kaserne abzulehnen…
…planungsrechtliche Ausweisung der Ostpreußen-Kaserne ist abzulehnen, erst recht ein Erwerb des Geländes der Ostpreußen-Kaserne…
…Übernahme der technischen Infrastruktur ist nicht zu empfehlen…
Die Studie ist auf den Seiten des hessischen Wirtschaftsministeriums nicht mehr zu finden. Die auf die Studie verweisenden Link führen nur noch ins Leere.
Auszüge aus der Studie hier und hier
Der Bund als Eigentümer hätte die Kasernenflächen wieder auf eigene Kosten renaturieren müssen. Die Flächen des Standortübungsplatzes hatte bereits der Bundesforst übernommen.
Fazit: 2006 musste überhaupt nicht über den Standortübungsplatz nachgedacht werden, wie es der Anwalt Krug von Einen dem Gericht vortrug.
Regionalplan 2009
Über mehrere Jahre wurde der Regionalplan überarbeitet, der 2009 in Kraft trat. In dieser Phase wurde auch der Standortübungsplatz unter Schutz gestellt, nach den Europäischen FFH-Richtlinien. Merkwürdiger Weise wurde ein Geländestreifen entlang der Bahntrasse ausgeklammert, obwohl die Bahntrasse eine natürliche Grenze für das FFH-Gelände darstellen würde und nach dem Regionalplan für landwirtschaftliche Nutzung vorgesehen war.
Auf genau diesem Geländestreifen sollte nach den Vorstellungen des Bürgermeisters der Solarpark entstehen, den der Projektentwickler Geerken plante. Um das Vorhaben durchzusetzen, wurde von Seiten der Homberger CDU ein Bürgersolarpark versprochen, mit Anzeigen und Parteiplakaten wurde dafür geworben.
"Ein Projektentwickler stellte die Idee eines Solarparks vor, das fand Unterstützung in den städtischen Gremien."
Geschichte der Solarförderung
2000 wurden die Vergütungssätze für Photovoltaik stark angehoben um eine Anschubförderung zum verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energie zu geben. Für Anlagen, die 2002 in Betrieb gingen, wurden mindrstens 48,1 Cent/kWh gezahlt. Die Sätze wurden in den Folgejahren schrittweise reduziert. Ab 1. April 2012 lagen die Vergütungssätze zwischen 19,5 und 13,5 ct/kWh und sollten weiter gesenkt werden. Die Sätze waren für die jeweilige Anlage für 20 Jahre gesichert. Das lockte sogar eine chinesische Firma in die Region, die entlang der Autobahn in Remsfeld investierten.
In der ersten Phase wurden auf landwirtschaftlichen Flächen "landwirtschaftliche Gebäude" errichtet, die vor allem Solarpanele tragen sollten. Freiflächen für Solarparks wurden unter bestimmten Bedingungen genehmigt. Entlang von Verkehrswegen wie Auto- und Eisenbahnen in einer Breite von 100 Meter oder auf brach liegenden Gewerbeflächen.
In der Branche herrschte Goldgräberstimmung. Auch der Projektentwickler Frank Geerken wollte investieren. Von ihm ist erst ab Anfang 2012 in Homberg die Rede. Angesichts der jährlichen Absenkung der Vergütungssätze machte der Projektentwickler Druck. Um sich den höheren Satz für 20 Jahre zu sichern, musste der Solarpark noch im Jahr 2012 ans Netz angeschlossen werden. Das war das Interesse des Investors, es brauchte nicht das Interesse der Stadt sein.
Diese Fläche gehörte wie der gesamte Standortübungsplatz der "Bundesanstalt für Immobilienaufgaben" die auch das Kasernengelände zu vermarkten hatte, von dem laut Studie bekannt war, dass es schwer zu vermarkten sein werde.
Die Bima hatte im Laufe der Vorjahre der Stadt immer mal wieder verschiedene Interessenten vorgestellt. Die Stadt wollte von der Bima den Geländestreifen für den Solarpark kaufen. Für die Bima bestand dazu keine Notwendigkeit, sie hatte das Kasernengelände zu vermarkten oder das Kasernengelände wieder in den ursprünglichen Zustand zurück zu bauen. Die Bima wollte die Fläche für den Solarpark nur verkaufen, wenn die Stadt auch das gesamte Kasernengelände für 1,3 Millionen Euro kauft. Dieser Kauf bedeutete eine Entlastung für die Bima und eine Belastung für die Stadt, die dann für die Anpassung der Infrastruktur verantwortlich wäre. Kosten von über 7 Millionen Euro wurden in einem Förderantrag dafür später errechnet.
EEG Clearingstelle
Ob auf dieser vorgesehenen Fläche überhaupt ein Solarpark gebaut werden durfte und ob es dafür die erhöhte Einspeisevergütung gibt, war noch nicht klar.
Erst musste Planungsrecht hergestellt werden, dazu musste ein Bebauungsplan aufgestellt werden.
Für die Frage der Einspeisevergütung war die Clearingstelle EEG zuständig, die bei allen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energie auftraten.
Bürgermeister Wagner hat nicht ins Blaue hinein gearbeitete, hat es auch nicht an "der notwendigen Präzision" fehlen lassen, wie er heute angibt, er hat genau gewusst, wie die Rechtslage war, aber er war nicht bereit ihr zu folgen, da er eine andere Meinung hatte, wie er in einer Antwort auf eine Stadtverordnetenanfrage schrieb:
Ob Flächen für Photovoltaik-Anlagen im Bereich der ehemaligen Bundeswehr-Liegenschaften als Konversionsflächen im Sinne des EEG gelten, richtet sich nach den Festlegungen der Clearingstelle. Ich gehe davon aus, dass Sie im Besitz dieser Handreichungen zur thematischen Auseinandersetzung zu Konversionsflächen sind und verzichte deshalb auf weitere Erläuterungen dazu.
Im Übrigen vertrete ich die Meinung, dass letztendlich zwischen dem Betreiber einer Photovoltaik-Anlage und dem energieaufnehmenden Stromversorger zu klären ist, ob die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.
So ist zwischen diesen beiden Parteien festzulegen, ob die Voraussetzungen zur Einspeisung des erzeugten Stroms gegeben sind, ob die Einspeisevergütung gezahlt wird und in welcher Höhe.
Quelle: Antwort des Bürgermeisters vom 26. Nov. 2012 auf meine Stadtverordneten-Anfrage
Diese Meinung des Bürgermeisters bekräftigte er noch einmal in einer Pressemitteilung vom 10. Oktober 2013 aus Anlass der Hausdurchsuchung im Rathaus am Vortag zu dem Begriff Konversion
a) begriffliche Umwidmung von militärischen in zivile Flächen, dies erfolgte mittels
Bauleitplanung im Rahmen der Planungshoheit durch die Kommune. Darin eingebunden sind die Träger öffentlicher Belange wie z. B, Stromversorger und Regie rungspräsidium mit Fachdezernaten. Die Bauleitplanung für die PV-Fläche (B-Plan Nr. 61) ist durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossen worden.
b) Konversionsbegriff im Sinne der Einspeisung von Strom nach dem Erneuerbare Energiegesetz (EEG), dies wird zwischen Investor (Einspeiser von Strom) und Netzbetreiber (E.ON Mitte AG) abschließend geklärt.
In einem zivilrechtlichen Prozess können keine Entscheidungen zur Auslegung des EEG getroffen werden, mit dem alle Stromkunden durch die Umlage belastet werden.
Belastete Fläche oder nicht?
Im ersten Anlauf hofften Bürgermeister und Projektentwickler, dass die landwirtschaftliche Fläche als lärmbelastete Fläche neben Verkehrswegen die Berechtigung zur erhöhten Einspeisevergütung erhält. Die Clearingstelle verwies darauf, dass das nicht für stillgelegte Bahntrassen gilt, von denen keine Belastungen ausgehen.
Daraufhin wurde versucht, die landwirtschaftliche Fläche als belastet durch die vorherige militärische Nutzung darzustellen.
In der textlichen Begründung des Bebauungsplan Nr. 61:
Verfasst von dem Planungsbüro BIL, Witzenhausen
eingebracht vom Magistrat der Stadt Homberg, beschlossen von den Stadtverordneten.
In der Hessenschau Sendung "Solarpark ans Netz gegangen" am 4. Oktober 2012, an dem der Bau des Solarparks fertiggestellt war, aber noch ohne Netzanbindung.
[O-Ton Wagner] "Hier sind zahlreiche Panzer darüber gefahren. Hier haben zahlreiche Einheiten geübt, das wissen auch viele Menschen aus Hessen und die Clearingstelle Erneuerbare Energie Gesetz hat deutlich gemacht, wann eine Konversionsvergütung vorliegt, nämlich dann wenn es sich um einen Übungsplatz handelt."
Quelle. Hessenschau am 4. Oktober 2012 (transkripiert)
Dazu hat die Clearingstelle eindeutig in ihrer Empfehlung 2010-2 ( 77 Seiten lang) definiert, wann eine Fläche als belastet gelten kann. Zusätzlich hat die Clearingstelle ein Entscheidungsschema veröffentlicht.
Nachdem offenkundig war, dass auf diesen Flächen niemals Belastung entsprechend den Kriterien der Clearingstelle stattgefunden haben, versuchte man die Belastung dadurch herzuleiten, dass es Teil einer größeren belasteten Fläche sei, bei der kleinere Flächenanteile auch mit als belastet gewertet werden können.
Ist eine schwerwiegende Beeinträchtigung des ökologischen Werts nur für Teile der tatsächlich einer Nachnutzung zugeführten Fläche gegeben, ist von einer Konversionsfläche auszugehen, wenn der überwiegende Teil der Fläche (d.h. mehr als 50 % der Fläche) eine solche Beeinträchtigung aufweist. Hierzu sind – durch einheitliche Merkmale gekennzeichnete – Teilflächen zu bilden, als beeinträchtigt oder unbeeinträchtigt zu qualifizieren und einander gegenüberzustellen. Quelle Seite 2.
Als die Stadt die Flächen von der Hessischen Landgesellschaft (HLG) übernahm, die die Flächen im Rahmen der Bodenbevorratungsrichtlinie treuhänderisch verwaltet hatte, bestätigte die HLG als Verkäuferin, dass die Flächen frei von Altlasten sei.
Definition der Clearingstelle. Der Kernsatz lautet:
Voraussetzung für die Qualifizierung einer Fläche als Konversionsfläche ist, dass der ökologische Wert der Fläche infolge der ursprünglichen wirtschaftlichen oder militärischen Nutzung schwerwiegend beeinträchtigt ist. Die genehmigungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ist dabei für die Qualifizierung der Fläche als Konversionsfläche nicht vorgreiflich. Vielmehr gilt ein EEG-spezifisches Anforderungsprofil.
Die Staatsanwaltschaft Kassel hat ebenfalls nach Einholung von Gutachten festgestellt, dass das Gelände keine Konversionsflächen im Sinne des EEG ist.
Verfahren eingestellt
Das Verfahren wurde wegen geringer Schuld gegen eine Geldauflage eingestellt. In dem Prozess ist nicht deutlich geworden, welche Dienstpflichtverletzung Wagner zur Last gelegt wird. Eine Geldauflage von 10.000 Euro muss doch einen Grund haben oder gibt es Gründe, die nicht öffentlich werden sollen?