Kasernenkauf: Tischvorlage als Alibi
Zu Beginn der Stadtverordneten- versammlung am 12. Juni 2012 lag den Stadtverordneten ein 8-seitiges Schriftstück [pdf-Datei, 7,4 MB] auf dem Tisch. Wer soll das wann lesen, überdenken und besprechen. Dazu ist keine Zeit gegeben. So wie auch der Antrag von FWG und Bündnis90/Die Grünen abgelehnt wurde, der eine Absetzung des Tagesordnungspunkt verlangte, da wegen der kurzfristigen Einladung keine Gelegenheit war, die Unterlagen zu prüfen.
Alibi Tischvorlage
Eine solche Tischvorlage mit neuen Informationen ist nur ein Alibi, man kann hinterher sagen, es ist informiert worden, obwohl keine Gelegenheit bestand, die Informationen zu lesen und zu verarbeiten.
Erst nach der Sitzung war es möglich die verschiedenen Emails zu lesen, sie zeitlich einzuordnen und mit der Zusammenfassung auf dem Deckblatt zu vergleichen.
Die von Bürgermeister Martin Wagner unterschriebene Tischvorlage hat drei Punkte:
1. Ratenzahlung
"Es werden 4 anstatt 3 Ratenzahlungen eingeräumt:"(es folgt eine Liste mit Beträgen und Zahlungsfristen, siehe Anlage)
Die Zahlung von 4 statt 3 Raten hob auch der Fraktionsvorsitzend der SPD, Stefan Gerlach, in seiner Rede als positive Vertragsänderung hervor.
Wer im Privatleben auf Raten kauft, weiß dass der Kauf dadurch in der Regel teurer wird, es sei denn das Angebot wird im Rahmen einer Absatzförderung sehr billig vergeben.
In der Zusammenfassung fehlt die Information, die mit dem Angebot verbunden sind. "Verzinsung des Restkaufpreises zum jeweiligen aktuellen Keditzinssatz des Bundes, Sicherung des Restkaufpreises durch Bankbürgschaft" Auf die Bürgschaft wurde im Laufe der weiteren Verhandlungen von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) verzichtet.
Wie hoch der genannte Zinssatz ist, konnte erst am nächsten Tag ermittelt werden. Er beträgt 1,25 Prozent im Jahre 2012. Das macht gut 20.000 Euro Zinsen aus. Diese Information fehlte in der Zusammenfassung.
Welchen Nutzen eine Ratenzahlung für die Stadt haben sollte, wenn der Kauf über die Hessische Landgesellschaft (HLG) abgewickelt und vorfinanziert wird, wurde nicht erläutert.
2. Verzicht auf Bankbürgschaft
Die noch im ersten anliegenden Email geforderte Bürgschaft wurde in einem weiteren Email nicht mehr verlangt.
3. Übertragung von Straßen- und Wegeflächen an die Stadt Homberg im südlichen Bereich des Bebauungsplanes Nr. 61
Noch am 11. Juni fragt die BImA die Stadt "warum es für die Stadt notwendig ist, diese Straßenflächen in ihr Eigentum zu übernehmen. Das war ein Tag vor der Sitzung. Wie bereits an anderer Stelle dargestellt, sollte nicht nur eine Erschließungsstraße für den Solarpark geschaffen werden. Heimlich wurde einer neue Erschließung der Ostpreußenkaserne der planungsrechtliche Weg geebnet. Das aber wurde den Stadtverordneten nicht offen gelegt.
Graphik: Verheimlichte Straßenanbindung wurde auf jetzt aufgetauchten Plänen das erste Mal sichtbar.
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Dokumentation
Auszug aus dem Sitzungs-Protokoll vom 12. Juni 2012
Die Fraktionen von FWG und Bündnis 90/DIE GRÜNEN legen Widerspruch gegen die Einladung und die Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung am 12.06.2012 ein und beantragen die Absetzung des Tagesordnungspunktes 3 "Erwerb der Restflächen Dörnbergkaserne, der Gesamtfläche Ostpreußenkaserne, einschließlich Standortschießanlage, Teilfläche des Standortübungsplatzes außerhalb des Vogelschutzgebietes/FFH-Gebietes gemäß Angebot der BIMA vom 29.05.2012".
Begründung:
Durch das Vorziehen der ursprünglich für Ende des Monats geplanten Sitzung war es für die Stadtverordneten nicht möglich, sich ordnungsgemäß sachkundig zu machen.
Neue Fakten zur Änderung der derzeitigen, in monatelangen Debatten entstandenen Beschlussvorlage, die Restflächen des Bundeswehrgeländes nicht zu kaufen, wurden erst am 29.05. spät in der Nacht vorgestellt. Der Fachausschuss für Bau-, Planung und Umwelt hat wegen der Kurzfristigkeit nicht getagt, der Hauptund Finanzausschuss (HAFI) tagt erst kurz vor der Sitzung. Aufgrund des vorgezogenen Sitzungstermins und des vorverlegten Sitzungsbeginns ist es für HAFIAusschussmitglieder teilweise nicht möglich an der Sitzung teilzunehmen. Es besteht keine Möglichkeit, sich mit den Beschlussvorlagen der Ausschüsse inhaltlich zu befassen, ein Magistratsbeschluss liegt vor der Sitzung ebenfalls nicht vor, da auch der Magistrat erst kurz von der Sitzung tagt.
Diese Zeitplanung ist für ehrenamtlich tätige Abgeordnete nicht akzeptabel, insbesondere nicht, wenn grundlegende Entscheidungen gefällt werden sollen.
Auf der Tagesordnung steht die schwerwiegende Beschlussfassung über den Ankauf der ehemaligen Kasernen. Es ist eine Zumutung für die Stadtverordneten, Entscheidungen mit weit reichenden finanziellen Auswirkungen fällen zu sollen, ohne die Möglichkeit zu haben, sich auf die Beschlussfassung ausreichend vorzubereiten, sich sachkundig zu machen und ggf. auch externen Sachverstand einzuholen:
Den Fraktionen liegen keinerlei Informationen über die Angemessenheit des Angebotes der BIMA vor.
- Den Fraktionen liegen keinerlei Informationen über den Zustand der Gebäude, die Schadstoff- und Altlastenbelastung vor.
- Es liegt keine detaillierte Berechnung der Folgekosten – insbesondere für die Instandsetzung der Kanäle und Straßen – vor. Eine Überprüfung der angesetzten Kosten ist nicht möglich.
- Eine ernstzunehmende Wirtschaftlichkeitsberechnung als Entscheidungsgrundlage liegt ebenfalls nicht vor, sondern lediglich eine "knappe" Finanzplanung, deren Annahmen ungeprüft und teilweise nicht nachvollziehbar sind.
- Die vorgelegten Unterlagen reichen für eine Beschlussfassung nicht aus, die Zeit zur unabhängigen Prüfung der Unterlagen war nicht vorhanden. Die Fraktionen von FWG und Bündnis 90/DIE GRÜNEN fordern daher die Absetzung des Tagesordnungspunktes 3 "Erwerb der Restflächen Dörnbergkaserne, der Gesamtfläche Ostpreußenkaserne, einschließlich Standortschießanlage, Teilfläche des Standortübungsplatzes außerhalb des Vogelschutzgebietes/FFH-Gebietes gemäß Angebot der BIMA vom 29.05.2012".
Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, warum die Entscheidung ohne Rücksicht auf einen ausreichenden Beratungszeitrahmen "durchgezogen" werden soll: Die BIMA erwartet bis zum 20.08. eine Antwort auf ihr neues Angebot, die Errichtung der PV-Anlage ist ohnehin nicht mehr bis zum 30.06. möglich. Der nächste Stichtag endet 30.09.2012.