Alles wird gut – schöne, neue, heile Welt
Foto: Die Stadt will dieses Haus kaufen und hier einen neuen Stadtzugang bauen.
Die Sehnsucht nach der Traumwelt wächst täglich, der Bedarf nach schönen Erzählungen wird immer größer. Wer diese Nachfrage bedienen kann, kommt gut ins Geschäft. Auch die Planer und Architekten profitieren davon.
Für den Bauausschuss am 24. April 2023 engagierte der Bürgermeister den Architekten Markus Staedt vom Büro ANP aus Kassel für den Sachstandsbericht zum "Wandelpfad". Es war gekonntes Storytelling, erweckte schöne Bilder und ließ unschöne Fragen und Fakten sanft verschwinden. "Das hörte sich doch alles ganz gut an.", sagte danach jemand. Es hat wieder gut gewirkt, die Honorarausgabe hat sich gelohnt, der Ausschuss stimmte fast vollständig zu.
Storytelling statt Sachstandsbericht
Es gehört zur Aufgabe des Bürgermeisters, Magistrat und Stadtverordneten über den Stand der Entwicklung eines Vorhabens zu berichten. Der Magistrat ist Herr des Verfahrens, und nicht ein beauftragter Architekt.
Doch in diesem Fall verließ sich der Bürgermeister auf die besondere Fähigkeit des bezahlten Storytellings des Büros ANP, welches ja schon in der Vergangenheit den Bürgern schöne Geschichten von dem Segen eines Einkaufszentrums erzählt hatte, für das auch ein paar alte Bäume weg können. Sommerhitze ist doch nicht so schlimm, wenn man dafür das Zentrum belebt.
Storytelling siehe zum Beispiel auch hier und hier
Profis
Das Büro ANP ist gut vernetzt. Gründerin und Gesellschafterin ist eine erfolgreiche Architekturfunktionärin, die in vielen einschlägigen Organisationen aktiv ist. Das schafft Verbindungen und Einflussbereich. Davon profitiert nun auch Hombergs Magistrat durch gekonntes Storytelling.
Durch den direkten Kontakt mit den Entscheidern über Fördermittel war klar, dass ein überschaubare Einzelmaßnahme keine Chance hätte. Die wollen einen großen, zusammenhängenden Wurf, deshalb wurde die Story mit dem Wandelpfad entwickelt: von der Efze, durch die Freiheit, über das KOCHS zum Markt -(campus) bis zur Burg. Das wirkte, Homberg ist deshalb eine der 13 ausgewählten Städte für das Post-Corona-Förderprogramm geworden. Gute Beziehungen wirken sich aus.
Die Regie für den Tagesordnungspunkt war gut: Erst die Story von der schönen neuen Welt, zwar etwas lang und einschläfernd, aber gut, um danach rasch die Entscheidung über 130.000 Euro durchzuziehen. Alles gut gelaufen, der Bürgermeister konnte zufrieden sein. Der Storyteller entschuldigte sich, dass er nicht bleiben könne, denn am nächsten Morgen müsse er wieder in Homberg sein. um eine englischen Gruppe über den Wandelpfad zu führen.
Ein Traum
Der Handelsverband prognostizierte gerade den weiteren Verlust von Ladengeschäften, doch das stört nicht beim Träumen.
Einzelhandel in Deutschland verliert 2023 voraussichtlich 9.000 Geschäfte Quelle
Auch wenn der Storyteller für Homberg einen Bevölkerungsrückgang von 5-6 Prozent nennt, stört das nicht beim Träumen.
Übrigens – für das Einkaufszentrum wurde 2016 in der Stadthalle ein Kaufkraftpotential von rund 184 Mio. Euro und ein Einzugsgebiet von 36.000 Menschen angegeben. Das Kaufkraftpotential war nach den IHK-Daten aber nur halb so groß. Bezahlte Storyteller erzählen eben, was der Kunde wünscht.
Foto: Aufnahme von der ANP-Präsentation 2016 in der Stadthalle
Der Wandel-Pfad-Traum: Die untere Westheimer Straße und die vordere Untergasse sind das Ladenzentrum der Altstadt. Es wird Zukunft haben, wenn durch den neuen Stadtzugang mit Aufzug der direkte Weg zum Busbahnhof entsteht.
Der Busbahnhof sei das Tor zur Stadt. Dann komme Laufkundschaft, wenn sie bequem fußläufig in die Stadt gehen kann. Diese kleinen Straßenabschnitte werden durch die "intelligente Form des Eingriffs" zur "1A-Lage" in Homberg. Es sei sicher, dass das ein "Scheck auf die Zukunft" sei, wenn "wenn wir das mit der Standortfeuerwehr gut machen".
Zur Stützung der Geschäftslage in der vorderen Untergasse habe man deshalb auch das KOCHs und das MACHWERK etabliert.
Auf die Einlösung des "Schecks auf die Zukunft" von 2014 zum Kauf der Krone wird immer noch gewartet.
Die Hinweise der FWG-Mitglieder auf das nahegelegene "Neue Tor" als bereits bestehende Verbindung zwischen Busbahnhof und Untergasse hatte keine Chance, ernsthaft in die Überlegung einbezogen zu werden. Das ist auch nicht die Aufgabe des Storytellings, es würde nur dazu führen, dass man sich zwischen Alternativen entscheiden müsste. Storytelling soll Zustimmung schaffen und keine Diskussion.