Halbzeit bei “Summer of Pioneers”
Das Medien-Ereignis
"Summer of Pioneers" wurde erfolgreich zu einem großen Event in den Medien aufgebaut. Das ist eine besondere Leistung, wenn man bedenkt, wie schwer es ist, medial Aufmerksamkeit für eine Sache zu erreichen.
Dieses Event ist auch bei den überregionalen Medien nicht durchs Raster gefallen. Gut konzertiert poppten die Meldungen gleich zu Beginn im Mai auf: Im Spiegel, in der Frankfurter Rundschau, in der Hessenschau, im ZDF und in FFH und natürlich in der regionalen HNA. Auch die Stadt veranstaltete ein Medienfeuerwerk auf der städtischen Homepage und in dem städtischen Newsletter. Dahinter steckt viel Arbeit, damit ein solche Medienpräsenz erreicht werden kann.
Bildschirmfoto, Ausschnitt von der Internetseite
Zwischenbilanz zur Halbzeit
Die ersten drei Monate sind vergangen, die letzten drei Monate haben begonnen. Zeit für eine Zwischenbilanz.
Was sollte erreicht werden? Wie weit sind die Ankündigungen umgesetzt worden?
Was haben die Homberger Bürger davon mitbekommen und worin besteht der Nutzen?
Neulandia präsentiert
Das Projekt "Summer of Pioneers" ist ein Projekt der Berliner Firma Neulandia UG (haftungsbeschränkt), Geschäftsführer ist Frederik Fischer. Gegenstand des Unternehmens ist "Projektentwicklung, Vertrieb und Marketing von Immobilien sowie Regionalmarketing und Beratung von Kommunen." Projektleiter für Homberg ist Jonathan Linker.
Neulandia beschreibt sich selbst:
Neulandia ist zu gleichen Teilen soziales Unternehmen, Bewegung und Netzwerk. Wir wollen unabhängig sein von Fördermitteln und Investoren, daher müssen wir Geld verdienen. Wir wollen Veränderungen anstoßen, die größer sind als wir, daher setzen wir auf Zusammenarbeit.
Wir setzen dabei auf ländliche Räume, weil dort Veränderungen schneller möglich sind als in Metropolen. Es braucht dafür „nur“ visionäre Gemeindevertreter:innen, eine aufgeschlossene Bürger:innenschaft und Experimentierfreude. Quelle2
Die Neulandia UG, verfolgt zwei Projektideen "KoDörfer"und "Summer of Pioneers",
Homberg ist ein Gastgeber für Summer of Pioneers."Probewohnen und Coworking auf dem Lande."
Es gibt überall in Deutschland Kommunen, die Lust haben, gemeinsam eine gemeinwohlorientierte Zukunft zu gestalten. Wir verstehen uns als ihre Partner.
Homberg Partner der Neulandia
Das große Ziel sei eine gemeinswohlorientierte Zukunft, die in Homberg gestaltet werden soll.
Daran sind die Ergebnisse der Zwischenbilanz zu messen.
Triebfeder ist für Bürgermeister Dr. Nico Ritz „den Veränderungsprozess in unserer Innenstadt aktiv zu gestalten.“ Die Aufgabe laute nun, „durch sinnvolle Schritte dem Wandel Struktur zu geben“. Quelle
Die Digitalisierung auf dem Homberger Land und in der Stadt Homberg (Efze) soll verbessert und vorangetrieben werden. Quelle
Digitalarbeiter aus der Großstadt hinaus aufs Land ziehen und dort arbeiten.
Sie sollen mit ihren Projekten und Ideen die Stadt voranbringen.
Dieses "ambitionierte Experiment " soll "neue Projekte und digitale Jobs in der Homberger Altstadt generieren und etablieren".
Die Stadt hat sich auch schon für ein weiteres Pilotprojekt beworben.
Die Kreisstadt setzt seit Längerem auf Netzwerke, um eine nachhaltige Stadtentwicklung voranzutreiben. Seit Februar ist sie Teil des bundesweiten Pilotprojekts „Post-Corona -Stadt" Quelle
Beworben hat sich Homberg (Efze) im Themenfeld „Öffentlicher Raum, Mobilität und Stadtstruktur“ mit dem Projekt „Wandelpfad und Co-Working-Galerie“. Damit will man in der Altstadt angesichts der Pandemie innovative Lösungen für krisenfeste Stadt- und Quartiersstrukturen erproben.
Große Erwartungen und große Kosten
Die Stadt hat für das ambitionierte Experiment viele Kosten und Kräfte mobilisiert.
Die Stadt hat extra Wohnungen hergerichtet und stellt sie den Pionieren günstig zur Verfügung. ZDF Morgenmagazin
Die Stadt hat Wohnraum für 20 Personen geschaffen. In dem Gebäude der ehemaligen Touristinfo wurde zum Beispiel ein neues Bad eingebaut.
Das Gebäude der Löwenapotheke wurde gekauft.
Die Wohnungen mussten möbiliert werden.
Der Coworking-Space wurde erst an anderem Ort geplant und ist jetzt in den Räumen der Firma Fachwerkerei eingerichtet worden. Die Stadt ist der erste Mieter der Fachwerkerei.
Die Mitarbeiter des Bauhofs waren bis zum Start im Mai in großem Umfang für das Experiment im Einsatz. Verständlich, dass damit andere Arbeiten in der Stadt zu kurz kommen mussten.
Für diesen rundum-sorglos-Paket für die Pioneers musste die Stadt tief in die Haushaltskasse greifen.
Was kostet der Stadt dieses Experiment?
Im Haushaltsplan 2021 findet sich keine Position für die Pioneers. Die Kosten müssen deshalb aus anderen Haushaltstiteln kommen. Bis jetzt ist nicht bekannt, was es kostet.
Einen kleinen Eindruck kann man bekommen, wenn man die Angebotspreise der Fachwerkerei betrachtet, in dem jetzt die Coworkingplätze vorgehalten werden. Auch wenn die Stadt eine Sonderkondition erhält, am Ende muss auch die Fachwerkerei ihre Kosten decken, also auch von der Stadt entsprechende Mieten verlangen. Aktuell kostete ein Tages-Ticket 19 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer für einen Platz. Für eine Woche sind 80 Euro fällig. Der Platz kann von 9 – 18 Uhr benutzt werden, also nichts mit freier Zeiteinteilung, nichts für Frühaufsteher oder Nachtarbeiter. Einmal nachgerechnet: 80 Euro in der Woche mal 20 Pioneers sind 1.600 Euro für die Woche. In einem halben Jahr mit 25 Wochen ergibt das 40.000 Euro reguläre Mietkosten.
Selbst wenn man nur die Hälfte davon annimmt, kommen allein für den Coworkingplatz 20.000 Euro zusammen. Die Kosten der Wohungen 30 qm mal 6,00 Euro/qm ergeben 180 Euro plus Nebenkosten pro Wohnung, bei angenommenen 400 Euro je Pioneer sind das bei 20 Personen 8.000 Euro im Monat, in den 6 Monaten des Projektes 48.000 Euro. Ob 100.000 Euro für das Experiment ausreichen? Schließlich will Neulandia auch Geld verdienen, und der Projektleiter muss auch honoriert werden.
Wie finanziert die Stadt diese Kosten?
Wie hoch die Kosten für die Stadt sind, ist unbekannt. Im Haushaltsplan 2021 findet sich keine Kostenstelle, die dem Projekt sichtbar zugerechnet ist. Da die Kosten entstanden sind, müssen sie in anderen Positionen "versteckt" sein. Mit den Grundsätzen von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit ist es bisher im Haushalt nicht gut bestellt gewesen.
Den monitären Kosten für die Stadt stehen die "Gewinne" durch das Projekt gegenüber. Die Pioneers haben viele Ideen für die Stadt, die die Stadt weiterbringen sollen.
Kreative Ideen und Projekte
— Reparatur einer Parkbank
— Bau eines Informationsstandes Cubus
— Bau und Bepflanzung eines Hochbeetes
— Reaktivierung eines Gartens für einen Gemeinschaftsgarten
— Veranstaltung: Wanderkino spielte auf dem Marktplatz
— Besuch der hessischen Digitalministerin
— Teilnahme an der Utopie-Konferenz mit einem Utopie-Camp geplant
— Aktion Belebung des Leerstands, bunte Streifen in den Schaufenstern
Bildschirmfoto. Ausschnitt (Stand 9.8.2021)
"Homberg erhofft sich auch Impulse" Die Stadt kämpft gegen Leerstand, Leerstand soll anders wahrgenommen werden, Freiraum statt Leerstand, lautet der Vorschlag und ist jetzt an Schaufenstern in Homberg an den bunten Klebestreifen zu erkennen.
Weitere Ideen, die die Kreativen aus den Hochhausschluchten der Großstadt mitbringen:
# Eine Kunstausstellung im mietfreien Raum eines ehemaligen Schuhgeschäftes.
# Ein Fahrrad- und Bastelwerkstatt in einem anderen Geschäft.
Die Pioneers können nicht wissen, dass bereits im Jugendzentrum eine Fahrradwerkstatt eingerichtet wurde, von der aber nichts mehr zu hören ist.
Kunstausstellung in Ladengeschäften gab es viele Jahre lang in der Westheimer Straße neben dem Cafe Lippold.
In der Holzhäuser Straße ist ein Schaufenster mit Kostümen und Requisiten der Kleinen Bühne gefüllt.
Im Einladen mit den Gebrauchtmöbeln haben Veranstaltungen stattgefunden.
All das hat den Leerstand nicht beseitigt.
Die Stadt selbst hat weiteren Leerstand geschaffen. Das Fachwerkhaus zwischen Markt- und Kirchplatz ist mit öffentlichen Mitteln zu einem Tourismusbüro ausgebaut worden und war dort gut sichtbar gelegen. Das Tourismusbüro musste umziehen, erst sollte es in das Deutsche Haus und jetzt ist es auf der gegenüberliegenden Seite in der Straßenfront mit einer nichts sagenden Einheitsfront. An den Fenstern des bisherigen Tourismusbüros zeigen die farbigen Bänder an, dass das Haus jetzt auch zu dem Leerstand gerechnet wird, auch wenn zur Zeit noch eine Familie der Pioneers darin wohnt und arbeitet. Was wird danach in dem von der Stadt gezielt selbst geschaffenen Leerstand passieren?
Noch drei Monate: Mit welchen der vielen Ideen soll die Homberger Stadtentwicklung voran gebracht werden?