Halle-Hostel-Hess-HLG
Eine DOKUMENTATION
In der letzten Stadtverordnetenversammlung vor der Kommunalwahl ließ ein Redebeitrag des Stadtverordneten Christian Utpatel (FWG) aufhorchen.
Er war erbost, was als Begründung für einen Grundstücksverkauf vorgelegt wurde: Ein HNA Artikel über ein geplantes Hotel im Fritzlarer Gewerbegebiet.
Zeichnung: Skizze zu dem angeblich geplanten Bauvorhaben in der ehemaligen Ostpreußenkaserne, vorgelegt von Architekt Hess
Mit drastischen Worten wandte Utpatel sich gegen dieses Vorhaben. Der Bürgermeister schwieg. Zwei Stadtverordnete versuchten noch, den Grundstücksverkauf zu ermöglichen, man müsse doch über Investoren froh sein. Die Mehrheit lehnte den Verkauf des Grundstücks an die beiden Geschäftsleute ab, für die Architekt Hess die Planung vorgestellt hatte.
Um was ging es?
Am 8. Dezember 2020 stellte der Architekt Hess im Haupt- und Finanzausschuss (Hafi) ein Projekt von den Unternehmern Krevets und Kusun aus Rödermark vor, die dafür in der ehemaligen Ostpreußenkaserne ein Grundstück kaufen wollten.Eine Kfz-Werkstatt sein, eine weitere Halle, dann noch ein kleines Gebäude für Übernachtung. Es sollten auch Familienfeiern ermöglicht werden.
Das Ganze war schwammig und nicht überzeugend. Die Mitglieder des Hafi verlangten weitere Unterlagen.
Am 11. Februar 2021 sollte in der Stadtverordnetenversammlung der Beschluss zum Grundstücksverkauf gefasst werden, zusätzlich lag lediglich der HNA-Artikel über ein ebenso geplantes Hotel im Fritzlarer Gewerbegebiet bei.
Die Empörung von Utpatel war gerechtfertigt. Damit war die Geschichte eigentlich erledigt.
Dieser Vorgang war ein weiteres Beispiel, das in die Reihe krummer Geschäfte gehört. Deshalb soll der Fall im Folgenden genauer dargestellt werden.
Die Recherche dafür war relativ einfach, die Unterlagen mussten nur systematisch gelesen werden.
Die Fakten
2. Juli 2020 Kaufpreisfestsetzung 107.000 Euro für 5.500 qm durch die HLG. Die Festsetzung trägt das Kürzel ko, wahrscheinlich Kothe.
28. Juli 2020 Brief der Unternehmer Krevets und Kusun an die HLG
Unsere Planung sieht vor, auf dem zu erwerbenden Gelände, in erster Linie eine Halle zu errichten welche als Kfz-Werkstatt in Form eines Meisterbetriebes geführt wird (Kfz-Park Homberg Süd).
Als weiteres Bauprojekt schwebt uns der Bau eines weiteren, kleineren Gebäudes vor.
Die Planung schwankt zwischen einem reinem Aufenthaltsraum mit Übernachtungs- und Freizeitmöglichkeiten für die Fahrer, die entweder über Nacht auf ihre Fahrzeuge warten bzw. Die LKW-Fahrer, welche ihre Ruhezeiten einhalten müssen – und einem richtigen Hostel, welches Durchreisenden die kurzfristige Möglichkeit einer Übernachtung bietet.
1. Dezember 2020 Beschlussvorlage
An diesem Tag wurde die Einladung zu der Sitzung des Hafi im Ratsinformationssystem veröffentlicht. Der Ausschussvorsitzende Christian Marx lud ein. Auf die Tagesordnung hatte er gesetzt:
Tagesordnungspunkt 2:
Gewerbegebiet Homberg Süd;
hier: Verkauf eines Gewerbegrundstücks (ehemals U10) Vorlage: VL-225/2020
Beschlussvorschlag: Das Gewerbegrundstück, auf dem sich vormals das Unterkunftsgebäude U10 befand, mit einer Gesamtfläche von ca. 5.550 qm wird zum Preis von 107.000 EUR an die Interessenten veräußert. Auf das Erfordernis der nachträglichen Genehmigung des zu schließenden Kaufvertrages durch die Stadtverordnetenversammlung wird verzichtet.
3. Dezember 2020 Magistrat
Der Magistrat hatte das Kaufgesuch erst am 3. Dezember auf der Tagesordnung stehen, wie aus dem Beratungsverlauf der Beschlussvorlage zu ersehen ist. Was der Magistrat dazu beraten hat, ist unbekannt. Magistratssitzungen sind nicht öffentlich.
8. Dezember 2020 Hafi
Der Vorsitzende, Herr Marx, begrüßt die erschienenen Mitglieder des Ausschusses, Herrn Bürgermeister Dr. Nico Ritz sowie als Gäste Herrn Architekt Albert Hess, die Herren Kravetz und Konsun von der Firma EK-Logistik aus Rödermark
Der Architekt Hess aus Neuenstein zeigte eine Präsentation des Vorhabens. Das Projekt wird bezeichnet als: Neubau einer KFZ-Meisterwerkstatt, einer Lagerhalle und eines Garni-Hotels
Das Hotel soll nach den Angaben in der Zeichnung 20 Einzelzimmer und 5 Doppelzimmer groß sein, dazu ein Frühstücksraum.
Im Anschluss fragen die Ausschussmitglieder nach den zu entstehenden Arbeitsplätzen und zum Geschäftsmodell.
Durch die Präsentation wird deutlich, dass die Vorstellung des Vorhabens nicht im Einklang mit den im Ratsinformationssystem hochgeladenen Anlagen steht. Nach eingehender Diskussion besteht noch erheblicher Informationsbedarf. Protokoll
28. Januar2021 Magistrat nicht öffentliche Sitzung
09. Februar 2021 HAFI
In der Beschlussvorlage ist das Bauvorhaben jetzt etwas ausführlicher beschrieben.
Die geplante Investition gliedert sich in zwei Teilbereiche: Einen Werkstattbetrieb für Transporter und Lkw sowie ein Hotel garni.
a) Werkstattbetrieb Der Werkstattbetrieb, der im südlichen Teil des Grundstücks errichtet werden soll, besteht aus zwei Gebäuden (der eigentlichen Werkstatt und einer Lagerhalle). Das Kerngeschäft des Werkstattbetriebs soll die kurzfristige Reparatur von vornehmlich gewerblich genutzten Transportern und von Lastkraftwagen darstellen. Insbesondere für den boomenden Markt der Transporter haben die Interessenten hier Angebotsdefizite und damit zugleich Marktchancen in der Region identifiziert. Durch ein hohes Maß an Ersatzteilverfügbarkeit (dafür wird die Lagerhalle benötigt) wird angestrebt, Stand-und Ausfallzeiten kurz zu halten und dadurch Einnahmeausfälle der Werkstattkunden so gering wie möglich zu halten. Ergänzend soll ein mobiler Reparaturservice (insbesondere für die Bundesautobahn 7) angeboten werden.
b) Hotel garni Aufgrund der zentralen Lage Hombergs und der unmittelbaren Nähe zur wichtigsten Nord-Süd-Verbindung der Republik (BAB 7) sind die Interessenten der Meinung, mit einem Hotel garni im Gewerbegebiet Süd, insbesondere bei Durchreisenden und Geschäftsreisenden, gute Marktchancen zu besitzen (zu vergleichbaren Plänen anderer Investoren am Standort Fritzlar ist ein HNA-Artikel beigefügt). Daher planen sie mit 20 Einzel-und 5 Doppelzimmern. Das Angebot beschränkt sich auf Übernachtung und Frühstück. Es soll durch Tagungs-und Veranstaltungsräume ergänzt werden, die gemeinsamen mit externen Cateringbetrieben genutzt werden können.
Insgesamt beabsichtigen die Interessenten, am Standort bis zu 25 neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Im Protokoll der Sitzung (veröffentlicht am 11. Februar 2021) steht, dass mehrere Mitglieder "zur Sache" gesprochen haben. In der Abstimmung waren 7 Mitglieder gegen den Verkauf, zwei stimmten dafür.
Damit ist die Veräußerung des Gewerbegrundstücks (ehemals U10) an die Interessenten abgelehnt
(fett im Original)
11. Februar 2021 Stadtverordnetenversammlung
Die Mehrheit der Stadtverordneten folgten der Beschlussempfehlung des Haupt- und Finanzausschusses und lehnten ab.
Die Stationen des Vorgangs
Auf den ersten Blick scheint das ein normaler Beratungs- und Beschlussvorgang gewesen zu sein. Doch das täuscht. Es folgen die merkwürdigen Besonderheiten, die nicht mit der Hessischen Gemeindeordnung und der Satzung der Stadtverordnetenversammlung überein stimmt.
Frühzeitiger Kontakt mit der HLG
Am 2. Juli 2020 fertigte Joachim Kothe von der HLG die Kaufpreisberechnung für den Grundstückszuschnitt, den die beiden Geschäftsleute von der Stadt kaufen wollten. Das heißt, sie waren an die HLG herangetreten und hatten bereits verhandelt.
Die Kaufpreisberechnung entspricht nicht der Bauland-Reservierungsrichtlinie, die die Grundlage der Arbeit der HLG auf diesem Gebiet ist.
Kothe selbst hatte die Richtlinie korrekt den Stadtverordneten erläutert, sich aber danach nicht mehr daran gehalten.
Die HLG vermarktet für die Stadt das Gelände. Sie muss dabei den Grundstückspreis so berechnen, dass damit die Kosten gedeckt werden. Gedeckt werden muss der Ankauf von der Bima, die Kosten für den Infrastrukturausbau und in diesem Fall noch die Kosten für den Abriss der Gebäude, die auf dem Grundstück standen und abgerissen wurden. Hinzu kommen die Gebühren, die die HLG für ihre Dienste berechnet sowie die Zinsen für die Kredite.
Wenn der so berechnete Grundstückspreis am Markt nicht zu erzielen ist, muss die HLG der Stadt vorrechnen, welchen zusätzlichen Betrag die Stadt zu übernehmen hat.
Seit Jahren tut das die HLG nicht, Sie rechnet noch zusätzlich den Verkaufspreis klein, in dem sie nicht bebaubare Flächen herausrechnet.
Nachdem die beiden Kaufinteressenten den Preis von 19,45 Euro/qm erfahren hatten, schrieben diese an die HLG und legten ihre Bauabsichten dar. Der Briefkopf bestand nur aus den beiden Namen. Eine Rechtsform ihrer Zusammenarbeit war nicht genannt. Als Adresse war die von der Firma EK-Logistik in Rödermark. Das Projekt wurde als "Kfz-Park Homberg Süd" benannt.
Bis 1. Dezember 2020 wurde die Tagesordnung für die Sitzung des Haupt- und Finanzauschusses (Hafi) am 8. Dezember veröffentlicht, auf der die Stadtverordneten des Ausschusses erstmals von dem Vorhaben erfuhren.
Am 16. September 2020 hatten die beiden Geschäftsleute inzwischen eine Firma gegründet, die Bulawa UG (UG-haftungsbeschränkt) mit derselben Adresse wie die EK-Logistik. Haftungskapital 2.000 Euro
Der Gegenstand der EK-Logistik GmbH von Herrn V. Kravets ist:
Durchführung von Transportdienstleistungen sowie alle damit zusammenhängenden Arbeiten.
Der Gegenstand der neuen gemeinsamen Firma Bulawa UG ist
der Betrieb einer Kfz-Hobbywerkstatt, Import und Export von erlaubnisfreien Waren aller Art, insbesondere von Autoersatzteilen, Schmierstoffen, Baumaterialien und Möbeln und der Handel sowie Onlinehandel mit diesen Waren sowie die Vermietung von Kraftfahrzeugen, insbesondere Transportern und Zimmervermietung.
Am 1. Dezember 2020 hatten die beiden Geschäftsleute aus Rödermark den Architekten Hess aus Neuenstein gefunden, der für ihr Vorhaben eine Präsentation mit ersten Bauskizzen erstellte und am 8. Dezember 2020 im Hafi vorstellte.
Warum beauftragten sie nicht einen Architekten aus dem Frankfurter Raum und stattdessen einen aus dem 160 km entfernten Neuenstein?
Das Architekturbüro Hess hatte für sie den Vorteil, dass er in der Homberger Verwaltung gut bekannt ist und bereits verschiedene Maßnahmen durchgeführt hat, wie zum Beispiel den Abriss des Fachwerkhauses Holzhäuser Straße 3, von dem das Büro vorher behauptet hatte, es sei mit sehr gefährlichen Schadstoffen belastet. Eine Erfindung, um durch den Abriss des Hauses Platz zu schaffen für einen Neubau im Auftrag der Stadt. Ein solches Büro bot sicherlich gute Voraussetzungen für Vorhaben, von dem die Geschäftsführer der Bulawa behaupteten es ausführen zu wollen.
Korrekter Weg
Der Bürgermeister wäre die erste Adresse in einer Stadt, wenn man ein Grundstück der Stadt kaufen will, um dort ein Geschäft zu eröffnen. Der korrekte Weg wäre dann gewesen, dass der Bürgermeister in der Stadtverordnetenversammlung darüber informiert und die Stadtverordneten bittet, sich damit zu befassen und über den gewünschten Grundstücksverkauf zu entscheiden.
Die Stadtverordneten hätten dann den Haupt- und Finanzausschuss beauftragt, sich mit dem Anliegen zu befassen und in einer späteren Sitzung der Stadtverordnetenversammlung ihre Empfehlung vorzutragen und zu erläutern. Die Stadtverordneten hätten dann eine Basis für ihre Entscheidung.
Doch es lief anders.
Der Bürgermeister umging die Stadtverordnetenversammlung und beauftragte den Hafi, sich mit dem Thema zu befassen. Das ist nicht zulässig. Der Ausschussvorsitzende Christian Marx (SPD) hat sich nicht gegen diesen Eingriff in die Geschäfte der Stadtverordnetenversammlung gewehrt und nicht auf den korrekten Weg verwiesen.
Es war auch schon abgesprochen, dass Architekt Hess das Projekt erläutert und die beiden Geschäftsführer sich vorstellen. Der Beschlussvorschlag war bereits angefügt und enthielt auch die Passage, dass der Verkaufsabschluss nicht noch einmal den Stadtverordneten vorgelegt werden muss.
Das alles war schon vorbereitet, bevor die Stadtverordneten das erste Mal durch die Sitzungseinladung von der Idee hörten.
Es scheint, dass die HLG mit dem Bürgermeister sich sicher waren, dass der Verkauf nur eine Formsache sei.
In Hafi-Sitzung am 8. Dezember 2020 beantragte laut dem Protokoll der Stadtverordnete Dirk Pfalz (Bürgerliste) die Aussagen der Geschäftsführer zu protokollieren. Das lehnte der Vorsitzende Christian Marx nach Rücksprache mit dem anwesenden Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Thurau (SPD) ab. Es sollten nur die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalte im Protokoll aufgenommen werden.
Es sollte nur über eine Grundstücksverkauf entschieden werden. Was immer auch über das geplante Bauvorhaben erzählt wird, hat rechtlich keine Verbindlichkeit. Wenn der Verkauf abgeschlossen ist, kann der neue Eigentümer machen was er will. Er ist dann nur noch durch den Bebauungsplan begrenzt.
Der Bebauungsplan Nr. 60 für die ehemalige Ostpreußenkaserne weist das Gelände als Gewerbegebiet aus. Im Gewerbegebiet sollen vor allem die Betriebe angesiedelt werden, die Emissionen verursachen. Ruhebedürftige Nutzungen sind ausdrücklich nicht erlaubt, dafür gibt es in der Kommune andere Flächen. So steht es in der Erläuterung der 1. Ergänzung zum Bebauungsplan Nr. 60. Ein Hostel für Übernachtungen wäre nicht genehmigungsfähig.
In der textlichen Festlegung zum Bebauungsplan findet sich ein Satz, der sich durch eine andere Farbe abhebt. Danach sind ausnahmsweise Vergnügungsstätten erlaubt.