Freitag der GegensÀtze Teil 2: PrekÀre Arbeit
Illegale Nutzung
Seit 2 Jahren wird das ehemalige Rüstzeitheim "Assa-von-Kram" in Hülsa von dem neuen Eigentümer als Wohnheim für osteuropäische Leiharbeiter benutzt. Die neue Nutzung ist nicht genehmigt. Das Haus wird illegal benutzt, das weiß auch die Bauaufsicht und hat trotzdem kein Nutzungsverbot mit sofortiger Wirkung erlassen, wie sie es in einem andern Fall getan hat.
Nachdem die Firma selbst eine planungsrechtliche Änderung beantragt hat, wurde im November 2018 in der Stadtverordnetenversammlung darüber nicht beschlossen und der Antrag und der Aufstellungsbeschluss für das Verfahren vertagt.
Die Stadtverordneten haben die Planungshoheit. Sie können entscheiden, was sich in der Kommune entwickeln soll. Dafür sind Bebauungspläne da. Will die Stadt die Leiharbeit dadurch fördern, in dem sie dieses Sondergebiet Rüstzeitheim einer neuen Nutzung zuführt?
Wenn Wohnungen in den Ortschaften für Monteurswohnungen umgenutzt werden, hat die Stadt kaum Möglichkeiten, das zu verhindern.
In Hülsa ist das Gelände als ein Sondergebiet für nur eine besondere Nutzung ausgewiesen, nur diese ist zulässig. Hier hat die Stadt die Möglichkeit zu steuern.
Den modernen Sklavenhandel nicht unterstützen
In der Stadtverordnetenversammlung am 15. März hielt die Stadtverordnete Elke Mittendorf (FWG) die folgende Rede:
Guten Abend meine Damen und Herren vom Stadtparlament, vom Magistrat und den Bürgern der Stadt Homberg und Umgebung.
Heute soll entschieden werden, ob das Rüstzeitheim Assa-von-Kram-Haus in Hülsa lt. bisheriger BLP Sondergebiet -Rüstzeitheim des Ev. Militärbischofs- oder wie am 23.07.2015 schon beschlossen Sondergebiet – Betreutes Wohnen für Senioren bestehen bleiben soll oder ob man die BLP zu einem Sondergebiet – Beherbergungsbetrieb – umwidmet.
Hat dies Folgen für die Stadt? – Nur der Betreiber ist rechtlich abgesichert, denn wenn man das Assa von Kram Haus in seiner alten Bestimmung lassen würde, müsste der Kreis dem Unternehmen eine Nutzungsuntersagung aussprechen. Das hätte dann zur Folge, dass das Gebäude leer stünde und das Unternehmen andere Unterkünfte suchen müsste.
Nur viele der hier Anwesenden so denke ich, wissen wahrscheinlich nicht wer oder was Promota ist.
Promota ist eine Firma, die Menschen aus anderen EU-Ländern beschäftigt. Diese Firma verleiht ihre Arbeitnehmer an Firmen (wie Rossmann, Amazone und DHL) die in der Logistik- und Produktionsbranche Arbeitnehmer suchen, um ihren so genannten „Personalengpass“ zu meistern.
Da bei uns der Mindestlohn eingeführt ist und der auch an die Leih- und Zeitarbeiter ausgezahlt werden muss bzw. sollte, ist es für diese Arbeitnehmer nach Abzug aller Nebenkosten immer noch rentabel, einen Vertrag mit solchen Firmen einzugehen.
Ein hier dauerhaft ansässige Arbeitnehmer könnte von diesen Löhnen seine Familie nicht ernähren – nein, er muss sich da die Frage stellen: will ich meine Arbeitskraft für so einen Lohn opfern, obwohl ich, trotz Arbeit meiner Familie nichts bieten kann ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung von Stadt, Kreis und Land oder Bund.
So müssen wir uns die Frage stellen, wollen wir ein solches Unternehmen unterstützen oder nicht?
Wenn wir mit Ja abstimmen, müssen wir uns auch im Klaren sein, dass wir ein Unternehmen unterstützen, das den Arbeitsmarkt kaputt macht, weil die Betriebe, die solche Firmen beauftragen, sich nicht mehr auf dem normalen Arbeitsmarkt ihre Arbeitskräfte besorgen wollen.Dafür wurde am 04.04.1967 gesetzlich Tür und Tor geöffnet und am 22.10.2008 dies sogar EU-weit legalisiert.
Ich werde aber aus den Erfahrungen in meiner Vergangenheit solche Firmen nicht unterstützen, egal ob legal oder nicht. Mir ist es auch gleichgültig ob VW, Amazon oder Rossmann oder sonstige Speditionen, die sich in der Vergangenheit hier in und um Homberg niedergelassen haben, davon provitieren.
Daher werde ich bei diesen zwei Tagesordnungspunkten 9 und 10 mit NEIN abstimmen, weil ich diesen modernen Sklavenhandel nicht unterstützen will.
Wie die hier Anwesenden Stadtverordneten abstimmen kann und will ich nicht beeinflussen, denn das muss Jeder mit sich selbst ins klare bringen.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Für diese Rede erhielt Frau Mittendorf viel Beifall der Grünen. Der Fraktionsvorsitzende Klaus Bölling (Bündnis90/Die Grünen) forderte die Stadtverordneten ebenfalls auf, diese Nutzungsänderung abzulehnen. Hier wird das Wohlstandgefälle innerhalb Europas ausgenutzt. Wer wünscht sich solche Arbeit unter solchen Bedingungen in der Fremde, wie sie diese Menschen erbringen müssen?, fragte er die Anwesenden. Er wies auf die sich christlich nennenden Gewerkschaften DHV hin, die nur das Ziel haben, Lohndumping zu betreiben, indem sie Haustarife abschließen, die diese Unternehmen begünstigen.
Die Stadtverordneten von CDU, SPD und der FWG-Mehrheit sind anderer Meinung. Wenn die Nutzungsänderung nicht erlaubt werden würde, dann würden diese Firma Schrottimmobilien aufkaufen und darin die Leiharbeiter unter unmenschlichen Bedingungen unterbringen. Das wolle man nicht fördern, so die gemeinsame Haltung. Die Leiharbeit können sie als Stadtverordnete nicht abschaffen, sie können aber für gute Wohnverhältnisse sorgen. Wenn die Umnutzung nicht erlaubt werden würde, dann würden die Schwächsten in der Kette bestraft.
Was da im Mantel geheuchelter Fürsorglichkeit daher kommt, ist nicht sozial, nicht christlich sondern nur abstoßend.
Mit dieser Lohndumpingspolitik werden auch die deutschen Arbeitnehmer unter Druck gesetzt, wie es die Beschäftigten der Bettenwelt erlebt haben.
Laut HNA ist der Fraktionsvorsitzende der CDU Christian Haß der Meinung:
„Wir müssen sicher stellen, dass solche Arbeiten erledigt werden“
Gemeint sind die prekären Arbeitsverhältnisse, die nach seiner Ansicht keiner mehr machen will. Nach der Theorie der Marktwirtschaft bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis, in diesem Zusammenhang den Preis der Arbeitskraft, den Lohn. Wenn die Nachfrage für solche Arbeiten nicht erfüllt werden kann, dann muss der Preis, der Lohn steigen. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht man, wie es tatsächlich zugeht. Es wird gesucht, wo man noch billiger Arbeitskräfte herholen kann. Menschen, die in solchen Notlagen stecken, dass sie keine andere Wahl haben. Auf diese Weise und auf Kosten dieser Menschen bekommen wir billiges Gemüse aus Andalusien, billiges Fleisch aus Niedersachsen, geschlachtet von billigen und nahezu rechtlosen Arbeitnehmer aus Osteuropa. Auf diese Weise werden die Hotels der Luxusklasse geputzt wie in Düsseldorf und so weiter.
Wer sich über diese Arbeitsverhältnisse informiert und nicht die Augen verschließt, wird wie die Stadtverordnete Elke Mittendorf auch zu der Auffassung gelangen, dass es sich hier um moderne Formen der Lohnsklaverei handelt.