Ist der Bebauungsplan fĂŒr das Ulrich-Areal gĂŒltig?
Die Stadtverordneten sollten eigentlich darauf vertrauen können, dass der Magistrat rechtlich einwandfreie Beschlussvorlagen zur Abstimmung vorlegt und über die rechtliche Situation korrekt informiert.
Darauf kann in Homberg nicht vertraut werden, obwohl der Bürgermeister Jurist ist. Erfahrungen mit zahlreichen Projekten zeigen, dass bei den Bürgermeistern Wagner und Ritz dieser Vertrauensvorschuss nicht gerechtfertigt war und ist.
Gesetzliche Voraussetzungen fehlen
Aus Anlass der neuen Planänderungen, die der Projektentwickler Schoofs in den Ausschüssen vorgelegt hat, ist noch einmal die rechtliche Situation der vorhabenbezogene Bebauungspläne recherchiert worden. Die Rechtslage ist im Gesetz klar formuliert und von den Gerichten bestätigt worden. Für das Homberger Projekt des Einkaufszentrums muss man zu den Schluss kommen, dass der vorhabenbezogenen Bebauungsplan keinen Bestand haben kann.
Grundlage dieser Einschätzung sind neben dem Gesetzestext §12 BBauGB eine ausführlicher Aufsatz zum Durchführungsvertrag von Prof. Dr. Michael Krautzberger und die Präsentation des Fachanwalts Dr. Andreas Dazer, die dieser auf der Weimarer Baurechtstagung 2016 erläuterte.
Rechtliche Anforderungen an den Durchführungsvertrag
Ohne Durchführungsvertrag kein vorhabenbezogener Bebauungsplan
Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist ohne Durchführungsvertrag nicht rechtswirksam.
"Der Durchführungsvertrag muss in erster Linie und unbedingt eine Verpflichtung zur Verwirklichung der im Vorhaben- und Erschließungsplan bezeichneten Vorhaben und ihrer Erschließung enthalten. " (Krautzberger)
Die Stadtverordneten müssen den Durchführungsvertrag kennen, denn er ist Bestandteil des Bebauungsplans
Zu einem Bebauungsplan, mit dem ein Investor für Bauvorhaben Planungrecht bekommen möchte, gehört bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan:
1. der Vorhaben- und Erschließungsplan
2. der Bebauungsplan
3. der Durchführungsvertrag
Nur der Durchführungsvertrag braucht nicht veröffentlicht werden, allerdings müssen die Stadtverordneten ihn einsehen können. Ohne diese Kenntnis können sie verantwortlich keinem Bebauungsplan zustimmen.
Dem Durchführungsvertrag muss nach Maßgabe der jeweiligen Gemeindeordnung die Gemeindevertretung zustimmen. (Krautzberger)
Der Durchführungsvertrag muss vor Bebauungsplan beschlossen werden
Bevor ein Bebauungsplan beschlossen werden kann, muss die Rechtsgrundlage in Form des Durchführungsvertrages mit dem privaten Antragsteller geschaffen werden.
Der vorhabenbezogene Bebauungsplan kann nur beschlossen werden, wenn auch der Durchführungsvertrag vorliegt. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Durchführungsvertrag ein konstitutives Element der Regelung des § 12 BauGB ist. Ohne vertragliche Sicherstellung der alsbaldigen Durchführung von Vorhaben und Erschließung wäre der vorhabenbezogene Bebauungsplan unzulässig bzw. materiell unwirksam .
Die Durchführung muss zeitnah erfolgen und eine Frist enthalten.
Mit einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan wird ein zeitlich befristetes Baurecht geschaffen, das "alsbaldig" durchgeführt werden soll. Im Vertrag muss eine Frist festgelegt werden, bis zu der realistisch das Vorhaben durchgeführt werden kann. Wird das Baurecht bis zum vereinbarten Termin nicht realisiert, geht das Baurecht verloren. Der Vertrag ist dann nicht erfüllt worden.
Ohne Fristsetzung ist der Bebauungsplan nichtig.
Durchführung muss vom Vorhabenträger vorab wirtschaftlich gesichert sein.
Der Vorhabenträger muss nachweisen, dass er in der Lage ist, das Vorhaben in der vereinbarten Frist durchzuführen. Dazu gehört auch, dass er über die finanziellen Mittel verfügt, um das Projekt zu realisieren und die vertraglich übernommenen Kosten zu tragen. Die Gemeinde muss die finanzielle Leistungsfähigkeit des Trägers prüfen.
Fähigkeit zur Durchführung des/der Vorhaben und der Erschließung setzt insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vorhabenträgers voraus
# Gemeinde darf und muss finanzielle Leistungsfähigkeit des Trägers prüfen, einschließlich hinreichender Sicherung der Durchführung von Maßnahmen im öffentlichen Raum (Erschließung)
# Vorhabenträger muss finanzielle Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Vorhabens nachweisen (z.B. durch Kredit – oder Fördermittelzusagen oder Bürgschaft)
# Vorhabenträger muss i.d.R. Eigentümer der Flächen des VEP sein oder ansonsten hinreichende privatrechtliche Verfügungsbefugnis innehaben (Dazer)
Erfolgreiche Vermarktung oder Rentabilität sind keine Kriterien
Jedoch wäre es rechtlich unzulässig, die Realisierung weiterer Bauabschnitte von der
erfolgreichen Vermarktung oder von der Rentabilität der in den ersten Bauabschnitten erstellten Teilbauvorhaben abhängig zu machen . (Krautzberger)
Im Durchführungsvertrag muss geregelt sein, welche Erschließungskosten der Träger zu tragen hat.
Das Gesetz nennt als weiteren Inhalt des Durchführungsvertrags, die Verpflichtung zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten. Das Gesetz lässt es zu, dass der Vorhabenträger die gesamten Kosten der Planung und der Durchführung sowie der Erschließungsmaßnahmen oder einen Teil hiervon trägt. Die Kostenbeteiligung der Gemeinde ist somit nicht ausgeschlossen. Sie bedarf aber einer besonderen rechtlichen Rechtfertigung (so zutr. Schliepkorte, S. 47).
Wie ist die Kostenbeteiligung der Stadt an den Erschließungskosten begründet worden?
Das Gesetz geht davon aus, dass der Vorhabenträger im Regelfall die vollständigen Erschließungskosten zu tragen hat, sofern nicht im Vertrag die teilweise Übernahme der Kosten durch die Gemeinde geregelt wird.
Wenn der Durchführungsvertrag nichtig ist, ist auch der Bebauungsplan nichtig.
Da der Durchführungsvertrag konstitutiver Bestandteil ist, führt seine Nichtigkeit auch zur Nichtigkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans. (Dazer)
Mängel des Durchführungsvertrages für das Einkaufszentrum
# Der Projektentwickler Schoofs war und ist noch nicht Eigentümer der Fläche.
# Die Finanzierung für das Projekt war bei Vertragsabschluss nicht gesichert.
# Die Stadt hat die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht geprüft.
# Die Durchführung in der vereinbarten Frist war nicht gesichert.
# Ob die übernommenen Erschließungskosten an die Stadt gezahlt wurden, ist bisher vom Bürgermeister nicht bestätigt worden.
Aufgrund dieser Mängel muss der Durchführungsvertrag als nichtig angesehen werden.
Daraus folgt, dass auch der Bebauungsplan nichtig ist. Die "geringfügigen Änderungen" heben die Mängel nicht auf.
Es bleibt nur die Konsequenzen zu ziehen und das Einkaufszentrum in Homberg nach 15 vergeblichen Jahren zu beerdigen und sich endlich einer realistischen Stadtentwicklung zuzuwenden.