HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

2008 – 2021 Informationen zur Kommunalpolitik in der Kreisstadt Homberg (Efze) – ab 2021 HOMBERGER HINGUCKER MAGAZIN

Erfahrungen aus 15 Jahren Kommunalpolitik – Teil 1

 

 

Erfahrungen aus 15 Jahren Kommunalpolitik in Homberg
Teil 1: Bürger und Öffentlichkeit

Delf Schnappauf
ehemaliger Mitglied des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung

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Vor einem halben Jahr, am 14. Juli 2016, habe ich mit einer kurzen persönlichen Erklärung mein Stadtverordnetenmandat abgegeben und die wichtigsten Erfahrungen knapp angesprochen. Was zum Sitzungsbeginn vor einem halben Jahr nur kurz angerissen werden konnte, soll hier ausführlicher belegt werden.

Schule der Demokratie?

Kommunalpolitik wird gern als Schule der Demokratie bezeichnet.

„Die Städte und Gemeinden werden oft als "Schule der Demokratie" bezeichnet, weil sie den Bürgern eine Vielzahl demokratischer Mitwirkungsmöglichkeiten bieten: Kommunalpolitische Fragen beträfen die Bürger oft direkt, die Problemlagen gelten als anschaulich und die Folgen des eigenen Engagements seien unmittelbar erfahrbar.“

In einer Broschüre des hessischen Innenministeriums heißt es:

“Die kommunale Selbstverwaltung ist die Basis der lokalen Demokratie und damit auch das Fundament unserer Demokratie insgesamt.“

Und an anderer Stelle:

„Kommunalpolitik ist gelebte Demokratie“

In 15 Jahren in dieser Schule der Demokratie habe ich Erfahrungen machen müssen, die leider nicht mit den schönen Worten in den Broschüren und Lehrbüchern übereinstimmen. Eher entsprechen die Erfahrungen den Beschreibungen von Wolfgang Koschnick in seinem Buch „Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr – Abschied von einer Illusion“

Am Ende dieser Darstellung kann jeder Leser selbst urteilen.

Ehrenamt Stadtverordneter

Das Ehrenamt wird gelobt, geschätzt und beworben. Allerdings nur solange die Ehrenamtlichen die Lücken im sozialen Netz der Gesellschaft füllen, die von der Politik eingerissen wurden, bei der Tafel, bei Flüchtlingshilfe,  usw.

Die Bürgervertretung in der Kommunalpolitik ist auch ein Ehrenamt, dessen Aufgaben ist es „die gesamte Verwaltung der Gemeinde“ und „die Geschäftsführung des Gemeindevorstandes, insbesondere die Verwendung der Gemeindeeinnahmen“ zu überwachen. Dazu gibt es ein Fragerecht. Der Gemeindevorstand ist verpflichtet, die Anfragen zu beantworten.

Wer dieses Ehrenamt als Bürgervertreter im Sinne des Gesetzes wahrnimmt, nachfragt und kontrolliert, kann sicher sein, dass das Wohlwollen sehr schnell abhanden kommt und umschlägt.

 „In diesem Ehrenamt wurde ich beschimpft, beleidigt und bedroht.“, habe ich am 14. Juli 2016 in meiner persönlichen Erklärung gesagt. Hier die Beispiele:

Wer sich öffentlich zeigt und aktiv ist, muss mit Beschimpfung und Beleidigung rechnen, wie zum Beispiel den folgenden:

heuchlerisch und unverschämt / nur krankhafte Beiträge / toxisch / journalistische Sudeleien / schlechte Recherche / Panikmache / eindeutiger Hang zum Querulantentum / polemisch und dümmlich / der alte, verhärmte, in sich selbst gefangene, kranke Mann aus Wernswig

Die politische Auseinandersetzung ist nicht nur in Homberg wenig entwickelt.
Statt auf Argumente einzugehen, Gegenargumente zu formulieren oder seine eigene Interessenlage vorzutragen, wird all zu oft nur die Person angegriffen. Wo Argumente fehlen, müssen Beschimpfung und Beleidigungen herhalten.
Diese „Kultur“ entspricht dem Freund-Feind-Denken, Stadt sachlicher Entscheidung  geht es nur dari,, ist das einer von uns oder einer von den anderen. Was von unseren Leuten kommt, kann ungeprüft zugestimmt werden, das von den anderen wird abgelehnt. Eine sehr einfacher Entscheidungsregel. Eine sachliche Prüfung der Argumente findet oft nicht statt.

Zu dem archaischen Verhaltensmuster gehört auch die Ausgrenzung. Wer nicht für die Mehrheitsparteien und ihre Entscheidungen ist, sollte die Stadt verlassen.

„Was muss eigentlich noch passieren, dass dieser Herr Schnappauf aus unserer Gegen verschwindet.“

„Wenn alles so schlecht in Homberg ist, empfehle ich doch den Akteuren, die immer grundsätzlich gegen alles sind, den Miesmachern /Imagschädigern, aus Homberg wegzuziehen und andern Kommunen Freude zu machen! Freundliche Grüße Alwin Altrichter, Homberg“

In den Jahren habe ich zwei anonyme Drohbriefe erhalten. In dem ersten von 2013 hieß es:

"Wer so viel Hass und Zwietracht sät, sollte sich nicht wundern, wenn ihm das eines Tages heimgezahlt wird. Um sein Haus sollte er eine Mauer bauen und er sollte die Dunkelheit meiden."

Die Homberger Polizei verweigerte die Annahme einer Anzeige, sie könne keine Bedrohung erkennen.

Den zweiten Drohbrief erhielt ich am 12.12.2015.

 „Du leistest NICHTS und der Großteil der Homberger wäre froh, wenn es dich nicht mehr gäbe.“

„Ein weiterer, noch viel größerer Teil würde es nicht einmal bemerken, wenn du plötzlich nicht mehr da wärst.“

„Lediglich ein paar dumme Menschen, […] würden durch dein Abscheiden ihren geistigen Führer verlieren.“

„In Kürze wirst du des Öfteren Besuch bekommen, wobei hier und da ein paar kleine Sachschäden auf deinem Grundstück (bzw. dem von deiner Frau) entstehen könnten. Auch bei öffentlichen Veranstaltungen oder Stadtverordnetenversammlungen wäre ich in Zukunft umsichtiger. Nicht, dass dir noch etwas passiert. Bevor du gleich zum Anwalt rennst: Eine Bedrohung liegt hier nicht vor. Von einem blauen Auge oder einer zerbrochenen Scheibe ist noch niemand gestorben. Der frankierte Briefumschlag samt Poststempel lassen nur unschwer vermuten… Wir wissen, wo du wohnst!“

Nach den bisherigen Erfahrungen verzichtete ich auf den Versuch einer Anzeige bei der Polizei und verlas Auszüge daraus in einer persönlichen Erklärung  in der Stadtverordnetenversammlung am 17.12. 2105.

Im Sitzungsprotokoll wird nicht auf den Drohbrief eingegangen, so als sei das normal  politischer Umgang, heißt es nur.:

„Danach gibt Herr Delf Schnappauf die dem Protokoll beigefügte persönliche Erklärung ab.“

Polizeiliche Aktivität

Um das politische Umfeld einer Reifenstecherei zu untersuchen, erhielt ich eine Vorladung zu Polizei. Die Reifen an dem Auto des Vaters des Bürgermeister Wagner und an dem seiner Schwester seien zerstochen worden. Merkwürdig: In der Lokalzeitung, die fast jede Autoschramme berichte, war davon nichts zu lesen.
Es kam zu keiner Vernehmung.

Unterstützung durch die Bürger

Mich erreichen aber auch anonyme Briefe von Bürgern, die auf Problem aufmerksam machen. Diese Anonymität entspringt der Angst vor negativen Folgen – nicht unbegründet. Im Laufe der vergangenen Jahre habe ich weitere vertrauliche Informationen von Homberger Bürgern, aber auch aus dem ganzen Land erhalten, ein Zeichen des Vertrauens.

Als Stadtverordneter war ich Vertreter der Bürger. Diese haben ein Anrecht darauf, über die Vorgänge in der Stadt informiert zu werden. Eigentlich ist es Aufgabe der Stadt und der lokalen Zeitung, zu informieren. Nachdem dies nur sehr mangelhaft geschieht und vor allem nicht weiter recherchiert wird, habe ich diese Aufgabe übernommen und seit knapp neun Jahren die Bürger informiert, und die Vorgänge dokumentiert. Durchschnittlich 500 tägliche Zugriffe zeigen, dass es ein Interesse in der Bürgerschaft gibt.

Sicher gibt es darunter auch die Zugriffe aus dem Rathaus. Schon mehrmals kamen kurz nach der Veröffentlichung Emails aus dem Rathaus.

 Für diese zusätzliche übernommene „ehrenamtliche“ Arbeit habe ich viel Anerkennung erhalten. Ein Zeichen, dass damit eine Lücke gefüllt wird.

Aktive Bürger und die Gegenreaktion

2012 wurden die Bürger in Homberg aktiv. Sie sammelten Unterschriften für ein Bürgerbegehren. Anlass war der Kauf des ehemaligen Kasernengeländes, bei dem sie befürchteten, dass die Schulden der Stadt am Ende noch weiter steigen. Ziel war: Die Bürger sollten selbst entscheiden, ob sie für oder gegen den Ankauf sind.

In den Sommerferien mussten innerhalb von 8 Wochen 1.300 Unterschriften in einer  Stadt mit 14.000 Einwohnern gesammelt werden. 2000 Bürger beantragten einen Bürgerentscheid zu dieser Frage. Es gab Bürger, die sich nicht trauten zu unterschreiben, weil sie oder ihre Verwandten bei der Stadt arbeiteten und Nachteile befürchten. Auch Geschäftsleute, die die Unterschriftensammlung unterstützten, wurden eingeschüchtert.
Die Mehrheitspartei CDU blieb nicht untätig. In der Stadt, in den Dörfern und in der Landschaft plakatierten sie und versprachen Arbeitsplätze und Millioneneinnahmen für die Stadt.

Trotzdem unterstützten viele Bürger das Bürgerbegehren. Eine neue hoffnungsvolle Stimmung war in der Bürgerschaft entstanden.

Die Bürger könnten sich in einem Bürgerbegehren für oder gegen den Ankauf des Kasernengeländes entscheiden. Die Stadt und die Initiatoren könnten vorher jeweils ihre Position bekannt machen.

Von der Stadt und den Mehrheitsparteien war das nicht gewollt. Sie beauftragten eine Anwaltskanzlei, die meinte, einen formalen Fehler entdeckt zu haben. Es hätte auf die insgesamt 2 Millionen Euro mögliche Pachteinnahmen in 20 Jahren hingewiesen werden müssen. So gelang es, die Initiative der Bürger zu stoppen.

Eine Klage beim Verwaltungsgericht ruht seit 5 Jahren. Bisher hat die Stadt noch keine Pacht eingenommen. An die Kanzlei wurden rund 3.000 Euro für die gutachterliche Stellungnahme gezahlt.

Die Homberger Bürger haben diese Lektion in der „Schule der Demokratie“ gelernt. Die Wahlbeteiligung ist weiter gesunken.

Soviel zu dem Verhältnis zu den Bürgern. Im zweiten Teil wird es um die Arbeit im Stadtparlament gehen, und wie die verschiedenen Parteien und Bürgermeister agieren.


Quellen:

Timo Grunden für bpb.de, https://www.bpb.de/gesellschaft/medien/lokaljournalismus/151125/basislager-der-demokratie?p=all

Peer Steinbrück:, in Die Kommunale Zeitung, jg. 10, Ausgabe 1, 2013

Wolfgang Koschnick, Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr – Abschied von einer Illusion, Frankfurt/Main 2016

Anonymer Drohbrief vom 16.10.2013

Alwin Altrichter Leserbrief  „Sind Investoren willkommen?“ im Homberger Anzeiger 15.05.2013

 


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