Homberger Reformationsmythos
Reformationsstadt Homberg steht auf jedem Ortseingangsschild. Dazu sollte aus dem Gebäude der ehemaligen Engelapotheke ein Haus der Reformation werden, damit sich Homberg am Ende der Lutherdekade 2017 auch richtig als Reformationsstadt präsentieren und Besucher anziehen kann. Die Stadt hat jetzt eine Veranstaltungsbroschüre herausgegeben, in der alle Veranstaltungen in Homberg aufgeführt werden, die mit der Reformation in Zusammenhang gebracht werden.
Eingeleitet wird die Broschüre mit dem Zitat "Ohne die Reformation in Homberg …. (siehe oben)
Überhöhte Homberger Darstellung
Wie schon 2011 verbreitet die Stadt auch jetzt wieder ein Geschichtsbild, in dem Homberg eine Rolle zugeschrieben wird, die historisch falsch ist.
Universitäten gab es bereits lange vor der Reformation – Luther studierte an der Universität Erfurt.
Nach der Reformation wurden die Klöster im Herrschaftsgebiet der jeweiligen Landesfürsten enteignet und mit diesen Mitteln wurde in Marburg eine evangelische Universität gegründet. Auch ohne Reformation hätte eine Universität in Marburg gegründet werden können.
Auch Krankenhäuser gab es nicht erst seit der Reformation: Elisabeth von Thüringen hatte z.B.bereits 1226 in Marburg ein Spital einrichten lassen, und war selbst in der Krankenpflege tätig.
So wie die geschichtliche Bedeutung Hombergs im Zusammenhang mit der Reformation überhöht wird, ist auch die Rolle Hombergs in der Lutherdekade von 2008-2017 eher von Träumen bestimmt als von Taten:
Ein Haus der Reformation wird es in Homberg im Lutherjahr 2017 wohl nicht geben. Die Bauarbeiten haben noch nicht einmal begonnen.
Wer und was soll im Lutherjahr 2017 gefeiert werden?
Das Datum bezieht sich auf den Thesenanschlag 1517 in Wittenberg. Es ist verständlich, dass die evangelischen Kirchen dies zum Anlass nehmen, ihre eigene Gründungsgeschichte zu feiern. Das Lutherjahr ist ein großes Ereignis für die evangelischen Kirchen. Das macht verständlich, dass dabei Luther nur positiv dargestellt wird.
In Deutschland gilt die Trennung von Kirche und Staat. Das ist eine Errungenschaft gegenüber der Reformationszeit, wo der Landesherr bestimmte, was die Menschen in seinem Herrschaftsraum zu glauben hatten.
Die Stadt sollte sich nicht an diesem Kirchenmarketing beteiligen, sie kann aber die Reformationszeit als historisches Ereignisse thematisieren, in der auch Homberg mit der Versammlung von 1526 einen Platz hat.
Zu einer historischen Behandlung gehörte es dann aber auch, Licht- und Schattenseiten zu betrachten. Das ist um so notwendiger, da die Kirchen die Reformationszeit und Luther geschönt und einseitig thematisieren.
Geschichtsschreibung wird von den Siegern geschrieben. Das trifft auch auf die Geschichte der Reformation zu.
Luther als Volksheld?
Luther war in seiner Zeit nur einer unter verschiedenen Persönlichkeiten, die den reformatorischen Gedanken formulierten – welche Bedeutung hatten die anderen?
Welche Anteil an den historischen Veränderungen hatte die Bauernbewegung und der Bauernkrieg – der von Luther gehasst wurde?
Wie sieht es mit Luthers Judenhass aus?
Luther wurde in den letzten Jahrhunderten benutzt – für den Nationalismus, den ersten Weltkrieg und die Judenvernichtung. Sie alle konnten sich auf Luther berufen. Es gäbe viel zu Luther und der Reformation aufzuarbeiten und das verzerrte Geschichtsbild zu vervollständigen, anstatt den Reformationsmythos zu pflegen.
Was Luther sagte und schrieb
Für Herrschaftssicherung
"Die Obrigkeit ist eine Dienerin Gottes. Von sich aus könnte sie keine öffentliche Ordnung erhalten. … Gott ist ein gerechter Richter auf Erden. Deswegen entgeht keiner, der nicht Buße tut, der gerechten Strafe durch die Obrigkeit."
Zum Aufstand der Bauern
"Aber jene Obrigkeit, die christlich ist und die Evangeliumsverkündigung zulässt, soll jetzt gottesfürchtig handeln. … Wenn das nicht helfen will, flugs zum Schwert greifen. Es gilt dann auch keine Geduld oder Barmherzigkeit; es ist dann die Zeit des Schwertes und des Zorns, und nicht der Gnade …"
"Solch wunderliche Zeiten sind jetzt, dass ein Volk den Himmel eher mit Blutvergießen verdienen kann denn anders sonst mit Beten … Steche, schlage, würge hier, wer da kann."
"Prediger sind die allergrößten Totschläger. Denn sie ermahnen die Obrigkeit, dass sie entschlossen ihres Amtes walte und die Schädlinge bestrafe. Ich habe im Aufruhr alle Bauern erschlagen; all ihr Blut ist auf meinem Hals. Aber ich schiebe es auf unseren Herrgott; der hat mir befohlen, solches zu reden …"
Während des 1. Weltkrieges 1917 wurde Luther instrumentalisiert
"Deutschlands Schwert ist durch Luther geweiht… "
Aufruf zur Judenverfolgung
"… dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke, … dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre … "
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