Keine Aussprache zum Bruch des Briefgeheimnisses
In der gestrigen Stadtverordnetenversammlung 12. 09. 2013 habe ich vor Eintritt in die Tagesordnung eine persönliche Erklärung verlesen und im Anschluss eine Aussprache zu den Vorgängen beantragt.
Ergebnis: 7 ablehnende Stimmen und 2 Enthaltungen – bei 31 anwesenden Stadtverordneten. Demnach haben 22 Stadtverordnete für den Antrag gestimmt. Es folgte eine Diskussion über den Berechnungsmodus – gilt als Grundlage die Zahl der anwesenden Stadtverordneten oder die Gesamtanzahl? Der Stadtverordnetenvorsteher verkündet als Ergebnis, der Antrag sei abgelehnt.
Wie diese Rechnung zustande gekommen ist, ist nicht nachvollziehbar.
Mit 22-Ja-Stimmen wurde die Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreicht. Eine Klärung ist heute nicht möglich, da die Stadtverwaltung auf einem Betriebsausflug unterwegs ist.
Nachtrag: 6.9.2013, 15:45
Ein Leser hat auf die Abstimmungsregelung in der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung hingewiesen. Danach berechnet sich die Zwei-Drittel-Mehrheit nicht nach den anwesenden Stadtverordneten sondern nach der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder. Quelle Danke für den Hinweis.
:: DOKUMENTATION ::
Persönliche Erklärung Delf Schnappauf
in der 23. Stadtverordnetensitzung am 5. September 2013
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr verehrte Damen und Herren Stadtverordnete.
Am 24. Juni 2013 hat eine Hombergerin einen Brief an mich als Stadtverordneten der Homberger Stadtverordnetenversammlung in den Briefkasten des Rathauses eingeworfen. Diesen Brief habe ich erst gestern -elf Wochen später – und nur nach zweifacher schriftlicher Aufforderung erhalten.
Ein erster Hinweis auf einen Brief gab es in der letzten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung.
Im Protokoll heißt es:
"Stadtverordnetenvorsteher Marx teilt mit, er habe im Bau-, Planungs-, Umwelt- und Energieausschuss berichtet, dass er einen Brief von der Wirtin der Burgberggaststätte erhalten habe. Dieser sollte an alle Stadtverordneten weitergeleitet werden. Bevor dieser weitergeleitet wird, soll die Verwaltung eine Stellungnahme dazu erarbeiten, die dem Brief beigelegt wird."
Aus dieser Information war noch nicht zu erkennen, dass es auch ein Brief an mich als Stadtverordneter war. Erst auf Nachfrage bei der Absenderin erfuhr ich, dass sie einen verschlossenen Brief an mich im Rathaus eingeworfen hatte.
Schriftlich forderte ich den Stadtverordnetenvorsteher auf mir diesen Brief zuzustellen. Sofort nach seinem Urlaub rief er mich an, erläuterte mir, dass der Bürgermeister ihm den Brief der Pächterin der Burgberggaststätte gegeben hatte. Er veranlasste, dass mir sofort der Brief zugestellt wird.
Zugestellt wurde mir nur per Mail eine eingescannte Fassung des Briefes, nicht der Originalbrief selbst.
Erst auf eine weitere schriftliche Aufforderung an den Bürgermeister mit Fristsetzung wurde mir gestern der Originalbrief mit den geforderten Erklärungen des Stadtverordnetenvorstehers und des Bürgermeisters ausgehändigt.
Dieser Vorgang ist strafrechtlich und politisch bedeutsam.
" Das Grundrecht des Postgeheimnisses wurde gebrochen, ein Straftatbestand.
" Der Bürgermeister hat widerrechtlich einen Brief gelesen, der erkennbar nicht für ihn bestimmt war.
" Er hat damit auch Kenntnis über die Verletzung des Briefgeheimnisses erlangt und diese Straftat nicht angezeigt, wie es seine Pflicht ist.
" Er hat den Brief nicht pflichtgemäß an den Empfänger zustellen lassen.
Das ist Sache der Staatsanwaltschaft.
Die politische Bedeutung des Falles und somit für uns alle:
1. Bürger können in Homberg nicht sicher sein, dass ihre Briefe an die Stadtverordneten diese auch erreichen, wenn sie im Rathaus eingeworfen werden.
2. Die Stadtverordneten sind Organe der kommunalen Selbstverwaltung. Sie haben die Aufgabe, die Arbeit der Verwaltung zu überwachen. Wenn der Bürgermeister die Briefe abfängt, greift er in die Rechte der Stadtverordneten ein und behindert sie in der Ausübung ihrer demokratisch übernommenen Aufgaben.
3. Die Organschaft der Stadtverordnetenversammlung ist durch den widerrechtlichen Eingriff des Bürgermeisters beschädigt worden. Für die Bürger ist nicht mehr zu erkennen, dass die Stadtverordnetenversammlung der oberste Souverän ist. Er sieht nur, dass nicht die Stadtverordneten den Magistrat überwachen, sondern das Gegenteil, der Bürgermeister die Stadtverordneten.
Um den Schaden für das Ansehen der kommunalen Selbstverwaltung und der Stadtverordnetenversammlung zu beheben und das Vertrauen in wieder herzustellen, halte ich folgende Schritte für notwendig:
1. Eine Aussprache über die Vorgänge vor Eintritt in die heutige Tagesordnung.
2. Eine gemeinsame politische Verurteilung der Grundrechtsverletzung und der widerrechtlichen Behinderung in der Ausübung des Mandats.
3. Eine schriftliche Resolution, die die Verurteilung den Bürgern bekannt macht.
Hiermit beschließe ich meine persönliche Erklärung und beantrage gleichzeitig die Aussprache vor Eintritt in die Tagesordnung. Diese persönliche Erklärung ist dem Sitzungsprotokoll beizufügen.
Homberg 5. September 2013