Erfahrungen mit einem Reifen-Pyrolyse-Projekt
Zu dem HNA-online Beitrag, vom 26.7.2012 hat ein Chemiker einen Kommentar geschrieben. Ein Dipl.-Chemiker und Ingenieur, der selbst an einem Pyrolyse-Pilot-Projekt mitgearbeitet hat, bis es von dem Unternehmen eingestellt wurde.
Diese Pilotanlage wurde nicht von einer kleinen GmbH gebaut, sondern von dem sehr viel finanziell potenteren Konzern ASEA Brown Boveri. Trotz der sehr viel größeren Kapitalkraft wurde das Projekt eingestellt.
Dieser Kommentar steht im Kontrast zu der Darstellung des Dr. Pelz von der Hoyerswerdaer Firma TPL. Der Autor war zudem auch langjährig als Gutachter für den TÜV tätig.
"Im Zusammenhang mit der Ansiedlung eines solchen "Unternehmens" müssen wirklich alle Alarmglocken schrillen. Wenn dieser Unternehmer ernsthaft vorhat, in den vorhandenen Hallen zu " produzieren", kann ich dahinter nur eine üble "Chemiebude" mit dem Flair einer Waschküchenproduktion vermuten oder eine politische Seifenblase ohne ernsthaften Hintergrund.
Dies ist genau ein Unternehmen von der Art, welches sich die Homberger nach Möglichkeit nicht ans Bein binden sollten.
Eine Industriebrache mit allerschwersten Altlasten könnte in wenigen Jahren zurückbleiben.
FaktenEine Pyrolyse ist die Verkokung eines Materials unter Sauerstoffausschluss (Inertgasatmosphäre erforderlich zur Vermeidung von Explosionsgefahren.). Bei der Pyrolose entstehen Pyrolysegase und Pyrolyseöle (die bei niedrigeren Temperaturen auch erstarren können – Anteil der Naphthaline) und zusätzlich fallen als Feststoffe sehr feine Russe und die Stahlkarkassen der Autoreifen an.
Bei der Pyrolyse fällt aber mit Sicherheit kein Gummigranulat an, welches im Artikel genannt wird.Eine solche Anlage, ist von der Produktpalette her gesehen, mit einer petrochemischen Anlage vergleichbar. Die Pyrolyseöle enthalten ein Stoffgemisch quer durch die Palette der aromatischen organisch-chemischen Verbindungen. Ein, für den Chemiker wahrhaft interessantes Gemisch – für die Natur, Umwelt und die Menschen ein todbringendes Gebräu. Diese chemischen Stoffe weisen neben der höchsten Wassergefährdungsklasse vielfach kanzerogenen Charakter (Benzol und seine Abkömmlinge sind i.d.R. krebserregend) auf. Darüber hinaus sind sie leicht brennbar und in Luftgemischen hoch explosionsfähig. Wegen der Explosionsgefahr werden solche Produktionsstätten grundsätzlich in offenen Anlagen und nicht etwa in geschlossenen Hallen betrieben. Die anfallenden Pyrolyseöle müssen mit Gefahrguttranporten weggeschafft werden.
Grundsätzlich ist eine solche Anlage mit sehr strengen Auflagen genehmigungsfähig. Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren wird aber alles andere als ein Spaziergang und kann längst nicht so bagatellisiert dargestellt werden, wie dies im Artikel der Fall ist. Irgendwie blauäugig erscheint mir vom Unternehmer, Pläne zu schmieden und darüber zu berichten, ohne die grundsätzliche Genehmigungsfähig zu belegen, die in diesem Fall sicher durch die wasserrechtlichen Vorschriften (Anforderungen an Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) bestimmt wird. Kein Wort findet sich in dem Artikel, ob abgeklärt ist, ob das Gelände die Errichtung und den Betrieb einer solchen Anlage nicht schon auf Grund von wasserrechtlichen Bestimmungen von vornherein ausschließt.
Dipl.-Ing., Dipl.-Chem. Lutz Jürgen Baumann
1987 Betriebschemiker bei ASEA Brown Boveri auf einer Pilot-Anlage zur Kunststoff- und Reifenpyrolyse (Hamburger Verfahren) in Ebenhausen bei Ingolstadt.